Derpart-Büro in Hagen schließt wegen Personalmangels
Reisebürochef Torsten Martini (Foto) hat alles versucht, gibt sich jedoch nach fast zwei Jahren erfolgloser Personalsuche geschlagen und schließt nun eine seiner zwei Filialen in der Hagener Innenstadt. Die Gründe erklärt Martini im Gespräch mit Counter vor9.
Der Anfang des Übels bei der Personaldecke liegt laut Martini in der Corona-Pandemie. In dieser Zeit sei aus einem neunköpfigen Team eines mit dreieinhalb Mitarbeitern geworden. "Einige haben die Branche gewechselt, einer wurde abgeworben und dann sind noch zwei Kollegen in Rente gegangen", sagt der 51-Jährige.
Mit einem so abgespeckten Team könne man keine zwei Reisebüros betreiben, das sei schlicht unmöglich. "Da muss ich mein Personal auch schützen", sagt er. Die Öffnungszeiten in dem in einem Pavillon gelegenen Reisebüro seien schon so heruntergefahren worden, dass er Angst um den guten Ruf des Unternehmens habe. "Wir haben eine Kollegin, die das in Teilzeit macht – wenn sie in Urlaub ging oder krank war, mussten wir zusperren und einen Zettel in die Tür hängen", erklärt der Touristiker. Dann wolle er doch lieber einen Schlussstrich ziehen und die Kunden allesamt in sein Hauptbüro schicken. Ende September wird zugesperrt, für immer.
Ursachen für Personalmangel
Warum er fast zwei Jahre keine Bewerbungen erhalten habe, könne er sich nur schwer erklären, so Martini. Zum einen sei Hagen als Arbeitsplatz wohl nicht so "sexy" wie andere Städte in Deutschland. Es gebe in der nordrhein-westfälischen Großstadt eine Entwicklung zur Strukturschwäche, mit viel Leerstand in der City. Das tue ihm als geborenen Hagener besonders weh. Dennoch seien die Mieten in der Innenstadt weiterhin relativ hoch, auch das könne ein negativer Faktor für Bewerber sein.
Besonders schmerzlich sei der Weggang seines Büroleiters gewesen, der von der örtlichen Sparkasse abgeworben wurde. Mit deren Arbeitszeiten könne er nicht mithalten, das sei ausschlaggebend gewesen. "Ich habe alles versucht meinen Büroleiter zu halten, mit mehr Gehalt und einem Dienstwagen – jedoch weniger Präsenz und keine Wochenendarbeit ist bei uns nicht darstellbar". Auch Homeoffice könne er nicht anbieten, das funktioniere auch bei langjährigen Mitarbeitern nicht. Natürlich nicht aus mangelndem Vertrauen, ergänzt Martini, sondern weil die Kunden sich bevorzugt vor Ort beraten lassen.
Quereinsteigerin verstärkt das Team
Der Derpart-Reisebürochef hat sich natürlich auch an die Zentrale gewandt, jedoch auch das habe keinen Effekt gezeigt. Trotz Anzeigen und Personalsuche in der Presse, Aushang im Schaufenster und über das Arbeitsamt habe es nur zwei Bewerbungen gegeben. Eine Reiseverkehrskauffrau sei auch zur Probearbeit vor Ort gewesen, "das hat jedoch nicht funktioniert". Die zweite Personalie ist eine Quereinsteigerin mit kaufmännischer Ausbildung, mit der es nun auch geklappt hat, freut sich Martini.
Keine Ausbildung möglich
"Die Kollegin arbeitet sich seit Mai langsam und halbtags in das Thema ein. Wenn alles glattläuft übernehmen wir sie nach Jahresende ganz und sie stockt auf Vollzeit auf", sagt der 51-Jährige. Jedoch habe er auch das Ausprobieren der Zusammenarbeit mit einer Quereinsteigerin nur gemeinsam mit dem Team entscheiden können. Denn auch das koste ihn und die Mitarbeiter im prall gefüllten Arbeitsalltag Zeit und Energie, die man sich nehmen müsse. Was Martini sehr bedauert, ist, dass er wegen der genannten Gründe aktuell auch nicht ausbilden könne. Denn der Nachwuchs brauche noch viel intensivere Betreuung, das sei einfach nicht darstellbar.
Hagener Kundschaft ist gerne am Counter
Die Stammkunden kämen gerne vorbei und reisten aus der näheren Umgebung auch schon mal zum Gespräch an. "Wir haben hier alle Altersklassen in der Kundschaft, die größte Gruppe ist im Alter 50+", sagt Martini. Was ihn verwundere sei, dass seine Kunden die in Corona anderswo etablierten Optionen bei ihnen nicht annehmen. "Wir beraten viel auf Termin am Telefon, jedoch haben wir nach Einführung der Video-Call-Beratung und wirklich intensiver Werbung für den Service, auch auf der Webseite, noch keinen einzigen Kunden so beraten", lacht der Derpart-Reisebürochef.
Um nicht nur Negatives zu berichten: positiv sei die ungebrochen gute Buchungslage. Und trotz aller Widrigkeiten gehen Kollegen auch auf Inforeisen und Events. Zudem sei die Stimmung im Team sehr gut. Nun entspanne sich die Lage, nachdem die Entscheidung zur Schließung Ende September gefallen sei. Und auch nach dem Aus für das Büro im denkmalgeschützten Pavillon sucht Martini weiter nach Mitarbeitern und freut sich über jede Bewerbung.
Sabine Schreiber-Berger