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16. Januar 2023 | 07:00 Uhr
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Was für einen Rewe-FTI-Deal spricht und was dagegen

Der Handelsblatt-Artikel zu Verhandlungen zwischen Rewe und FTI über eine geplante Übernahme setzt die Akteure unter Druck. Die Erfolgsaussichten für einen möglichen Deal werden indes von Beobachtern nicht als sehr hoch eingeschätzt.

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Rewe und FTI schweigen weiterhin eisern. Mehr als die Aussage, "Spekulationen und Marktgerüchte" kommentiere man "grundsätzlich nicht", ist ihnen nicht zu entlocken. Um so eifriger wird in der Branche über Hintergründe und Erfolgsaussichten eines möglichen Deals geredet – mal eher mit Blick auf die Auswirkungen, die ein möglicher Zusammenschluss auf die Branche hätte und mal eher in Bezug auf die Frage, welches Licht die Spekulationen auf die Situation von FTI werfen.

Klar ist allein, dass die Veröffentlichung die Unternehmen zur Unzeit erwischt hat. Denn die anhaltenden Spekulationen, die es bis in die Bild-Zeitung schafften, zwingen sie, mögliche Verhandlungen entweder zeitnah voranzutreiben oder dem Spuk schnell ein Ende zu bereiten. Vor allem für FTI ist die Lage misslich. Denn die Beschreibung als Übernahmekandidat mit hohen Schulden, die in der Wirtschaftspresse gerne mit dem Zusatz "angeschlagen" etikettiert wird, ist nicht gut fürs Geschäft, das sich nach dem Auslaufen pandemiebedingter Reisebeschränkungen gerade erst wieder erholt hat.

Was will der Mehrheitsgesellschafter?

Einigermaßen klar wird aus den Reaktionen der Beteiligten indes, dass der FTI-Mehrheitsgesellschafter Naguib Sawiris, dem Vater Samih die FTI-Anteile überschrieben hat, einem Verkauf nicht gänzlich ablehnend gegenübersteht. Sonst hätte ein einfaches Statement, seine FTI-Anteile stünden nicht zur Disposition, die Debatte schnell beenden können. Dass dieses nicht erfolgte, spricht eher für Verkaufsambitionen; zumal auch Samih Sawiris, der FTI-Gründer Dietmar Gunz eng verbunden ist, eigentlich keinen Veranstalter besitzen, sondern über die Beteiligung an FTI die Auslastung der eigenen Hotels steigern wollte.

Wirtschaftswoche und FVW wollen wissen, dass es zwar seit geraumer Zeit Verhandlungen gibt, in denen aber aktuell "keine wesentliche Bewegung" zu verzeichnen sei. Auch in der dominierenden Handelssparte, deren Umsätze deutlich mehr als 90 Prozent des Konzernumsatzes ausmachen, habe die Nachricht für Überraschung gesorgt, schreibt die Wirtschaftswoche. Im Aufsichtsrat der Rewe Group sei das Thema noch nicht behandelt worden, heißt es unter Berufung auf "hochrangige Insider".

Kein Finanzinvestor in Sicht

Handelsblatt und FVW berichten zudem, dass ursprünglich der US-Finanzinvestor Certares als Minderheitsgesellschafter in eine mögliche Übernahme eingebunden werden sollte, mit Rewe als Mehrheitsgesellschafter. Dies hätte dem Handels- und Touristikkonzern mittelfristig Möglichkeiten in beide Richtungen eröffnet – sich entweder auf ein erweitertes Engagement in der Reisesparte einzulassen oder das Geschäft am Ende komplett an einen Investor zu geben. Certares sei jedoch vor einiger Zeit abgesprungen und ein anderer Finanzinvestor zeichne sich bislang nicht ab, heißt es in den Berichten.

Neben möglichen kartellrechtlichen Bedenken, von denen die meisten Kommentatoren glauben, dass sie nicht unlösbar wären, scheint vor allem der Umstand dem Deal im Wege zu stehen, dass Rewe-Chef Lionel Souque FTI nicht inklusive aller Schulden übernehmen möchte. Allein die Kredite und eine stille Einlage, die FTI während der Pandemie erhielt, summieren sich auf 603 Millionen Euro, die über eine Laufzeit von sechs Jahren mit einer ansteigenden Verzinsung versehen sind. Angesichts der geringen Margen in der Touristik ist das ein großer Betrag.

Was geschieht mit den WSF-Hilfen?

Ein Schuldenschnitt würde indes die Steuerzahler belasten, wenn der Staat auf die Rückzahlung eines Teils der Kredite verzichten würde. Dies wäre in der ohnehin durch Pandemie und Ukraine-Krieg angespannten Haushaltslage, die zudem gerade durch steigende Zinsen zusätzlich belastet wird, nicht leicht vermittelbar. Zudem würde ein Schuldenschnitt weitere Empfänger von WSF-Hilfen mit Forderungen nach einem Schuldenerlass auf den Plan rufen – zum Beispiel TUI.

Welche Strategie verfolgt der Rewe-Chef?

Angesichts der Gerüchteküche und der branchenweiten Tragweite eines möglichen Zusammenschlusses werden die Akteure bald Position beziehen müssen. Dabei bleibt unklar, welche Strategie Rewe-Chef Souque, der für derart tiefgreifende Entscheidungen die Zustimmung der Aufsichtsgremien seines genossenschaftlich organisierten Unternehmens bräuchte, in Sachen Touristik eigentlich verfolgt. 

Für Investitionen, etwa in die Hotelsparte oder den Clubanbieter Aldiana, hat er DER Touristik stets den Rücken gestärkt. Mit dem Ausscheiden des erfahrenen Touristikers und neuen BTW-Präsidenten Sören Hartmann aus dem Vorstand der Rewe Group hat Souque die Verantwortung für die Tourismussparte selbst übernommen. Das lässt sich auf zweierlei Weise interpretieren: entweder als Aufwertung, weil das Reisegeschäft nun Chefsache ist. Oder als Anzeichen für nachlassendes Interesse, weil die Neubesetzung des Gremiums mit einem ausgewiesenen Touristikexperten nicht erfolgt ist und stattdessen ein Vorstandsposten eingespart wurde.

Christian Schmicke

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