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13. Juni 2023 | 14:59 Uhr
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Warum die Hängepartie im Datenskandal Reisebüros Sorge macht

Nach der Kündigung der QTA-Rahmenverträge durch TUI, DER Touristik und Schauinsland wegen der Übertragung von Reisebüro-Buchungsdaten von RTK an FTI, wächst der Druck. Bewegung im Zuge der Aufklärung ist allerdings nicht erkennbar. Reisebüros sorgen sich zunehmend um die Verhandlungsposition des Vertriebs gegenüber Veranstaltern.

Daten Datenanalyse

Der Datendeal hält die Branche weiter in Atem

Zuletzt hatte RTK-Chef und QTA-Sprecher Thomas Bösl in einem Schreiben an die Mitglieder seiner Kooperation ausführlich erklärt, was im Datenskandal alles nicht passiert sei. Es habe keine Gegenleistung von FTI für die Datenübertragung gegeben, Kundendaten seien nicht betroffen gewesen und es sei kein Druck auf Reisebüros hinsichtlich ihrer Verkaufsentscheidungen ausgeübt worden, skizzierte er.

Zudem bezeichnete Bösl die außerordentliche Kündigung der Rahmenverträge von TUI und Schauinsland mit dem Kooperationsverbund QTA kurzerhand als "unwirksam". Eine Antwort auf die entscheidenden Fragen blieb er indes erneut schuldig: Durch wen und zu welchem Zweck wurde der Datendeal eingefädelt und welche Konsequenzen hatte er, bis der Skandal schließlich aufflog?

Wer zog die Fäden?

Zur letzten Frage gibt es bereits seit einem aus dem März stammenden Handelsblatt-Artikel Anhaltspunkte. Passagen aus E-Mails, die darin veröffentlicht wurden, legen nahe, dass der Veranstalter versuchte, in Fällen, in denen die Konkurrenz bei Reisebüros besser "performte", gezielt gegenzusteuern. Dazu gibt es im Prinzip zwei Wege: Preissenkungen, die einen Veranstalter im Ranking bei Preisvergleichssystemen wie Bistro besser dastehen lassen, sind eine altbekannte Möglichkeit, die von Veranstaltern schon lange genutzt wird. Die andere Variante wäre der Einsatz von Zusatzprovision für bestimmte Produkte oder Destinationen. Ebenfalls nichts Neues, aber auf der Basis detaillierter Daten deutlich zielgenauer einsetzbar.

Zu den Beweggründen und Akteuren gibt es dagegen nur Vermutungen. Eine davon: Der damalige FTI- und RT-Gesellschafter Samih Sawiris, dessen Familie heute die Mehrheit der Anteile beider Unternehmen hält, könnte höchstpersönlich auf eine engere Zusammenarbeit seiner beiden Beteiligungen gedrängt haben. Schließlich ging es ihm bei seinen Engagements um die Stärkung des Vertriebs seiner eigenen Resorts, vor allem in Ägypten.

Beruhigung nicht in Sicht

Dazu passen Aussagen gut informierter Insider, die beide Unternehmen genau kennen und nach denen Sawiris Sohn Naguib, der das operative Geschäft von dessen Gruppe mittlerweile übernommen hat, die Akteure von FTI und RTK anwies, sich möglichst nicht zu der Sache zu äußern. In der Hoffnung, dass früher oder später Gras darüber wachsen würde.

Angesichts der aktuellen Dynamik der Ereignisse ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass der Plan aufgeht. Denn für die QTA steht nicht zuletzt der sogenannte Kollektivvertrag zur Disposition, den zuletzt rund 30 Veranstalter unterschrieben hatten. Hinter ihm steckt die Idee, Volumenverträge mit den Veranstaltern abzuschließen, damit der Gesamtumsatz aller Büros bei einem Veranstalter über eine Stelle und nicht über jedes einzelne Büro läuft. Das dürfte mancher Veranstalter mittlerweile mit gemischten Gefühlen sehen.

Wer verhandelt künftig für jedes zweite Reisebüro?

Es geht aber um mehr: Denn allein die RT-Gruppe vereinte bislang inklusive RTK, TUI Travel Star, Alpha Reisebüropartner, Holidayland, Reiseland, TVG, eigener Filialen und Prima Urlaub knapp 3.000 Vertriebsstellen auf sich. Hinzu kommen etwa ebensoviele Büros, die über die Schmetterling-Kooperation der QTA angeschlossen sind. Das bedeutet: Gemessen an der Zahl der Vertriebsstellen ist etwa die Hälfte des deutschen Reisebürovertriebs in der QTA organisiert.

Das lässt manchen befürchten, eine weitere Zuspitzung der Lage um RTK und QTA könnte das Kräfteverhältnis zwischen Veranstaltern und Reisebüros zu Ungunsten der letzteren verschieben. Die Veranstalter, so ist in Social-Media-Beiträgen häufig zu lesen, würden eine mögliche Fragmentierung des Vertriebs begrüßen und zumindest mittelfristig ihre Vertriebskonditionen verschlechtern. RTK-Chef Bösl selbst hat zuletzt – freilich nicht allein aus uneigennützigen Motiven – wiederholt davor gewarnt.

Wem nützt die Hängepartie?

Ob sich kurzfristig ein Ausweg aus dem Dilemma findet, erscheint fraglich. Bereits Ende April hatte etwa TUI eine Entflechtung der beiden Sawiris-Beteiligungen FTI und RTK gefordert und zudem den Einsatz unabhängiger Wirtschaftsprüfer, um das mögliche Ausmaß des Schadens für den Konzern zu ermitteln. Erkennbare Bewegung zeichnet sich dabei nicht ab. Das illustriert auch die jüngste Bemerkung von Schauinsland-Vertriebschef Detlef Schroer, man sei über den Fortgang der Ereignisse kaum besser informiert als die Öffentlichkeit.

Nützen könnte die Hängepartie um den Datenskandal allerdings anderen Reisebüroorganisationen wie Best Reisen, TSS oder auch Ketten wie Lufthansa City Center. Ebenso wie RTK und QTA hatten diese sich stets die Unabhängigkeit von einzelnen Veranstaltern auf die Fahnen geschrieben – und können in diesem Punkt aktuell mit größerer Glaubwürdigkeit aufwarten als die Konkurrenz aus Burghausen.

Christian Schmicke

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