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5. Januar 2024 | 07:00 Uhr
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In der Krise die Lufthoheit über die Kommunikation behalten

Neues Jahr, neue Krisen: Auch 2024 werden mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Unternehmen in der Touristik wieder unvorhergesehene Ereignisse zukommen. Wie wichtig dabei eine professionelle Krisenkommunikation ist, erklärt PR-Experte Mario Köpers (Foto) im Interview und analysiert dabei auch die Kommunikation im Fall des RTK-Datenskandals.

Mario Köpers ist Experte für Krisenkommunikation

Warum ist es gerade in der Touristik so wichtig, dass man sich unternehmensseitig mit dem Thema Krisenkommunikation beschäftigt?

Mario Köpers: Die Wertschöpfungskette in der Touristik ist lang – auf dem Weg von der Buchung bis zur Rückreise kann extrem viel passieren. Und nicht alles ist steuerbar. Zudem sind Reisen ein hochemotionales Produkt. Passiert etwas, ist das Thema schnell im Fokus. Wenn mitten im Hochsommer auf Rhodos der Wald brennt, auf Mallorca die Busfahrer streiken oder Klimakleber den Hamburger Flughafen lahmlegen, dann schauen die Menschen und die Medien sehr genau hin. In solchen Situationen liegen die Chance, Vertrauen in die Marke aufzubauen und das Risiko, einen Imageschaden zu erleiden, dicht beieinander. Wer zögerlich reagiert, steht schnell am Pranger, wer hingegen aktiv und glaubwürdig kommuniziert, hat sogar gute Chancen aus einem Krisenereignis Kapital zu schlagen.

Immer wieder gibt es Fälle, die zeigen, wie die Kommunikation in der Krise plötzlich nicht mehr kontrollierbar ist, Beispiel Westin Leipzig. Was ist dort nicht optimal gelaufen?

Zwischen dem Instagram-Video, in dem der Musiker Gil Ofarim schwere Vorwürfe gegen das Hotel Westin Leipzig erhebt, und der ersten Stellungnahme des Hotelmanagers lagen zwei Tage. Da war das Kind bereits in den Brunnen gefallen, das Image des Hotels und der Marke schwer beschädigt. In den sozialen Netzwerken war die Schuldfrage längst geklärt – nicht ohne Folgen für die mediale Berichterstattung. Auch hier stand das Management schnell mit dem Rücken an der Wand. Eine schlechte Position, aus der man sich in Ermangelung eines klaren Statements zunächst auch nicht befreien konnte. Statt sich – unabhängig von dem konkreten Fall und der noch offenen Schuldfrage – pauschal und in aller Deutlichkeit gegen jegliche Form von Antisemitismus auszusprechen, war in diversen TV-Interviews lediglich ein halbherziges und leider auch ohne jede Empathie vorgetragenes Bedauern zu vernehmen.

Und im Fall des Datenskandals der Reisebürokette RTK, die über viele Jahre Veranstalterumsätze von Reisebüros an FTI mitgeteilt hatten, bis diese Machenschaft ans Tageslicht kam. War es hier besser, im Prinzip nichts zu sagen, oder wäre eine schnelle und echte Aufklärung besser gewesen?

Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man den Fall betrachtet: Aus kommunikativer Sicht ist es alternativlos, schnell alle Fakten auf den Tisch zu legen, sich kooperativ zu zeigen und für lückenlose Aufklärung zu sorgen. Dem Image der Unternehmen und der Glaubwürdigkeit der handelnden Personen hätte das sicher gut zu Gesicht gestanden. Aber so einfach ist es nicht. Hier ging es natürlich auch um Haftungsfragen und Schadenersatzansprüche, sodass neben kommunikativen Aspekten auch viele juristische Fragestellungen im Raum standen. Und erfahrungsgemäß ziehen Kommunikationsberater und Juristen nicht immer am gleichen Ende des Seils.

Trotz Profi und guten Trainings, eine Krise bleibt eine Krise. Oder gibt es Fälle, in denen durch eine perfekte Kommunikation die Krise perfekt „gelöst“ wurde?

Wirklich große Krisen, bei denen alles glattgelaufen ist, gibt es vermutlich äußerst selten. Zu viele Bälle müssen zeitgleich in der Luft gehalten werden, da fällt schon mal einer runter. Dennoch: Sehr beeindruckt hat mich das Krisenmanagement und die -kommunikation der Lufthansa nach dem vorsätzlichen Absturz der Germanwings-Maschine im März 2015. Die verantwortlichen Manager haben sehr schnell das Heft des Handelns in die Hand genommen, wirkten dabei extrem souverän und gleichzeitig unglaublich empathisch – und das alles unter maximalem öffentlichen Druck. Dass diese Situation so professionell gemanagt wurde, war natürlich kein Zufall, sondern das Ergebnis einer akribischen Vorbereitung und regelmäßiger Krisen- und Medientrainings.

Und was macht man, wenn man die Kommunikation für die Deutsche Bahn verantworten muss? Ständige Streiks, Verspätungen, Boni-Zahlungen für das Management…

Kommunikation für die Deutsche Bahn zu machen, ist mindestens so anspruchsvoll wie Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu sein. Egal was du machst, es ist immer falsch und Millionen Deutsche wissen es besser. Glauben Sie mir: Da sind schon Profis am Werk, die wissen, was sie tun.

Was sind die ersten Schritte, wenn ich für mein Unternehmen eine Krisenkommunikation etablieren möchte?

Wenn man erst mal die Entscheidung getroffen hat, sich auf mögliche Krisen strukturell wie auch kommunikativ einzustellen, ist der erste Schritt schon mal getan. Gerade viele Mittelständler kommen erst gar nicht so weit. Frei nach dem Motto: 'Es wird schon nichts passieren'. Dabei lautet die Frage nicht, ob etwas passiert, sondern vielmehr wann. Wichtig ist, Krisen vorauszudenken und sich auf Szenarien mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit vorzubereiten. Strukturell wie kommunikativ. Wie sieht meine Krisenorganisation aus? Wer übernimmt welche Rolle? Wie stelle ich die Erreichbarkeit sicher? Diese und viele andere organisatorische Fragen müssen im Vorfeld einer Krise geklärt sein und in einem Krisenhandbuch oder -leitfaden manifestiert werden. Auch Checklisten mit den wichtigsten Prozessschritten und Textbausteine für die schnelle Erstkommunikation sollten in der Schublade liegen. Zudem empfiehlt es sich, alle ein bis zwei Jahre ein Krisentraining durchzuführen, damit die Handgriffe im Ernstfall sitzen. Dazu gehört unbedingt auch ein Medientraining vor der Kamera.

Kann eine Krise für einen Profi auch 'Spaß' machen, weil man sie einfach professionell managt?

Auf jeden Fall. Wenn man in Drucksituationen nicht zum Getriebenen wird, sondern durch eine proaktive Kommunikation gegenüber den Medien die Lufthoheit behält und kommunikativ führt, dann können Krisen nicht nur 'Spaß' machen, sondern zahlen auch auf ein positives Unternehmensimage ein.

Zur Person: Mario Köpers ist Inhaber und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur KC3 (Köpers Corporate & Crisis Communication GmbH), mit der er sich Anfang 2020 selbstständig machte. Zuvor gehörte der studierte Kommunikations- und Politikwissenschaftler fast 20 Jahre zum Top-Management der TUI. In seiner Rolle als PR-Direktor der TUI Deutschland und über viele Jahre hinweg auch als Pressechef des Konzerns war er Teil des Krisenstabes und führte das Unternehmen kommunikativ durch zahlreiche Krisen – darunter Terroranschläge, Streiks und große Naturkatastrophen wie der Tsunami in Südostasien. Für die erfolgreiche Krisenkommunikation während der Aschewolkekrise wurde Köpers 2011 vom FAZ-Institut und der Deutschen Gesellschaft für Public Relations (DPRG) mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis ausgezeichnet.

Das Gespräch führte Pascal Brückmann

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