Employer Branding in Zeiten des Fachkräftemangels
Der Kandidatenmarkt fragt nach Sinnstiftung, die Schnelligkeit bei der Einstellung ist ein Erfolgsfaktor und das Ende der Pandemie wird die Branche befeuern, lautete das Fazit des E-Networkings "Employer Branding in Zeiten des Fachkräftemangels", das der Travel Industry Club am Dienstag veranstaltete.
Die Pandemie hat in der Reisebranche ein Problem erheblich verschärft, das sich schon seit Jahren bemerkbar macht: den Fachkräftemangel. Grund genug für den Travel Industry Club, dem Thema "Employer Branding in Zeiten des Fachkräftemangels" ein spezielles E-Networking zu widmen. Moderator Dominik Kuhn verwies zu Beginn auf das "Frühwarnsystem Hochschule": 20 bis 40 Prozent der Tourismusstudierenden, je nach Region, wählen demnach nach dem Abschluss einen Beruf außerhalb des Tourismus.
Ist die Reiseindustrie ein ungeliebter Arbeitgeber? Der Mangel an Tourismuskräften habe auch mit einem generellen Imageproblem zu tun, räumte Lena Weber ein, bei TUI Head of Global Talent Acquisition and Employer Branding. Gemeinsam mit Natalie Plavonil, Employer Branding Managerin bei TUI, stellte sie die Bemühungen des Reiseveranstalters vor, aus der Pandemie mit einem engagierten und glücklichen Stab von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zurückzukommen. So gebe man beim Recruiting – das übrigens komplett online abläuft – unter anderem dem Bedarf der Bewerberinnen und Bewerber nach, viel ortsunabhängiger als früher arbeiten zu können.
Arbeiten aus dem Ferienort
Der Konzern lässt seine Mitarbeiter künftig, sofern der entsprechende Job das zulässt, auf Wunsch bis zu 30 Arbeitstage pro Jahr im Ausland arbeiten, zum Beispiel in einer Feriendestination oder in der Lieblingsstadt. Neben dieser Flexibilität wurden auch andere Werte aufgelistet, die das Arbeiten für den globalen Veranstalter reizvoll machen sollen – unter anderem die digitale Transformation, "freundliche Kollegen, die die Leidenschaft zum Reisen teilen", und nicht zuletzt das Produkt Reisen.
Es sei wichtig, solche Werte zu definieren, stimmte André Klein den TUI-Vertreterinnen zu. Klein ist Geschäftsführender Gesellschafter des Markenentwicklers Saint Brand und entwickelt seit 30 Jahren Markenkonzepte nicht nur für die Touristik. Employer Branding, so seine Überzeugung, müsse nicht nur sinnstiftend nach außen, sondern auch nach innen sein: "Denn genau so wichtig ist die Bindung bestehender Mitarbeiter!"
Nachwuchstouristiker suchen Verantwortung
Wie man diese gewinnen und halten kann, machte Ayke Sander deutlich, Head of Operations and Marketing des rasant expandierenden Vermittlers von Feriencamps, Jugend- und Sprachreisen Juvigo: Als sie vor dreieinhalb Jahren zu ihrem Arbeitgeber kam, hat sie wie alle Beschäftigten, "vom ersten Tag an viel Verantwortung übernommen". Zudem erhielten die jetzt 40 Mitarbeiter sowie Bewerber "super viel Informationen über das Unternehmen“.
Die Branche habe es heute nicht mehr mit einem Arbeitgebermarkt, sondern mit einem Kandidatenmarkt zu tun, betonte Sigrid Laubner-Peters Geschäftsführerin von Exgeniam, einer inhabergeführten Personalberatungs-Agentur. Laubner-Peters: "Es ist mühsamer, härter und anspruchsvoller geworden, Kandidaten zu gewinnen." Große Schnelligkeit beim Bewerbungsprozess sei heute einer der Erfolgsfaktoren. Zudem müsse die Firmenkultur glaubhaft und transparent präsentiert werden. Dabei könne die "Mitwirkung von Führungskräften als gewinnende Persönlichkeiten" hilfreich sein. Schließlich suchten die Bewerber "nicht nur Geld, sondern auch Glück".
Abwanderungsgedanken bereiten Probleme
In dieses Bild passt auch die Untersuchung zu "Mitarbeitermarkt und Fachkräftemangel" der Newsletter-Gruppe Reise vor9, Counter vor9 und Hotel vor 9, die Chefredakteur Christian Schmicke zur Abrundung des e-Networkings vorstellte. Beunruhigend ist etwa der Befund, dass 45 Prozent der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einen Wechsel in eine andere Branche denken. Bleibt der Fachkräftemangel im Tourismus also auch nach Corona ein Dauerthema? Sigrid LaubnerPeters bleibt da optimistisch: "Wenn mal wieder alles geöffnet ist, kommen die Mitarbeiter zurück, vielleicht nicht in der Fülle wie früher…" Aber sicher sei, "dass das Ende der Pandemie die Branche befeuert".