Was das Ende der Bahn-Provision für Reisebüros bedeutet
Es war ein Schritt, der am Ende niemanden mehr wirklich überraschen konnte. Schließlich hatte die Bahn das Aus der Provision für klassische Reisebüros mit Bahnagentur bereits vor drei Jahren angekündigt. Für einige Spezialisten ist der Schritt dennoch ein harter Schlag.
"Wir haben über wesentlich radikalere Lösungen diskutiert." Dieser Satz stammt von einem leitenden Bahn-Manager und er ist 15 Jahre alt. Ausgesprochen hat ihn Jürgen Büchy, damals seines Zeichens Vertriebschef der Bahn. In der Tat war schon 2007 über einen Wegfall der Vergütung für den Verkauf von Bahntickets diskutiert worden. Am Ende stand eine Senkung der Grundvergütung von sechs auf fünf Prozent. Er hätte "gerne noch mehr Provision aus dem Markt genommen", räumte Büchy im Gespräch ein.
Der Verfasser dieser Zeilen schrieb damals dazu in einem Kommentar in der Fachzeitschrift Travel One mit dem Titel: "Schafft die Mickerprovision endlich ab!", worauf ihn dieser Tage ein offenbar gedächtnisstarker Reisebüroinhaber dieser Tage hinwies. Gemeint war damit freilich nicht das Modell, das die Bahn nun endgültig durchboxt. Vielmehr war die Idee ein Nettopreismodell, bei dem die Bahn auch für ihren Eigenvertrieb eine faire Marge einkalkuliert und das Reisebüros die Möglichkeit lassen würde, ihre Einnahmen und damit auch den Ticketpreis eigenständig zu kalkulieren.
Preisdifferenz wächst
Letzteres können klassische Reisebüros mit Bahnagentur in Zukunft auch tun; nur dass jeder Euro, den sie einnehmen, auf den Ticketpreis obendrauf kommt. Zwar haben auch in der Vergangenheit nahezu alle Reisebüros für den Verkauf von Bahnkarten schon Service-Entgelte kassiert, doch vom 1. Januar an wird der Unterschied zwischen dem Preis am Automaten oder im Netz und dem am Counter noch größer, wenn Reisebüros daran noch ein paar Euro verdienen wollen.
Für viele Reisebüros dürfte das Kapitel Bahn damit abgeschlossen sein; lediglich rund 350 sogenannte Präsenz-Agenturen erhalten noch fünf Prozent Vergütung. Doch es gibt noch einige Spezialisten im Land, die bis zuletzt unverdrossen am Verkauf von Bahntickets festgehalten haben. Schließlich dürfte die Bedeutung der Bahn als Verkehrsmittel angesichts der Klimadebatte und steigender Treibstoffpreise weiter zunehmen.
Spezialisten geben auf
Doch auch die haben nun offenbar die Nase voll. "Zur Politik der DB fällt mir zwar viel non-verbales Kopfschütteln ein, aber Worte habe ich nicht dafür", schreibt einer, der zu den Pionieren im Verkauf oftmals komplexerer Bahntickets gehört, auf Anfrage von Reise vor9. Ihm fehle zudem nach einem nun schon über Jahrzehnte andauernden "Windmühlen-Kampf gegen dies und das, was wir in der 'Zusammenarbeit' mit jenem Unternehmen erleben mussten, die Energie", um weiter für sein Geschäft zu kämpfen, schreibt er weiter und ergänzt: "Ich bin im Moment noch ziemlich planlos, was wir in einem halben Jahr machen werden."
Helmut Lutz betreibt in Berlin das Reisebüro Kopfbahnhof, das sich ebenfalls auf den Verkauf von Bahntickets und -reisen spezialisiert hat. Zu seiner Kundschaft zählt er viele ältere Menschen, die mit Online-Buchungen fremdeln, Menschen mit Migrationshintergrund, die aufgrund von Sprachproblemen auf Nummer sicher gehen wollen, aber auch Reisende, die komplexere internationale Verbindungen buchen wollen.
"Die meinen das ernst"
Lutz, dessen Namensverwandtschaft mit dem Bahnchef vor dem aktuellen Hintergrund wie pure Ironie wirkt, sagt im Gespräch mit Reise vor9, er habe beim Handelsherrn angerufen und gefragt, "ob die das ernst meinen". Ja, habe die schnörkellose Antwort gelautet – "keine Gesprächsbereitschaft". Der Reisebüroinhaber sieht damit eine Linie überschritten, bis zu der er noch Geschäfte mit der Bahn machen will. Er werde das verbliebene Reisebüro gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter schließen; die Frage sei nur, ob schnell oder erst im kommenden Jahr.
Zum geplanten kostenlosen Buchungstool für Reisebüros unter dem Label "Bahn Easy" hat Lutz nur einen kurzen, trockenen Kommentar: "Bahn.de funktioniert besser." Warum die Bahn ausgerechnet in Zeiten, in denen Bahnreisen auch europaweit größere Bedeutung gewinnen sollen, auf Spezialisten, die Kunden dazu beraten können, verzichten wolle, erschließe sich ihm nicht. Aber: "Das ist hoffentlich bald nicht mehr mein Problem."
Christian Schmicke