Studiosus setzt Zeichen bei Erstattungen und Nachhaltigkeit
Der Marktführer bei Studienreisen hat bisher wegen Corona 30.000 Kunden ihre Reisen abgesagt und allen ihr Geld zurückgezahlt. Die ersten Reisen starten im Juli wieder. Und auch beim Thema Nachhaltigkeit geht Studiosus voran und kompensiert ab nächstem Jahr alle Reisen inklusive der Flüge, kündigt Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch (Foto) im Interview an.
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Die Corona-Maßnahmen werden gelockert, Reisewarnungen nach und nach aufgehoben. Erste Badeurlauber sind wieder unterwegs in den Süden. Wie sieht es mit dem Re-Start bei Studiosus aus?
Bei uns geht es am 8. Juli endlich wieder los – mit einer Städtereise nach Wien. Dann folgen ab Mitte Juli Reisen in viele andere Schengen-Ziele, etwa nach Island, Osteuropa mit Polen und Rumänien, ins Baltikum, nach Frankreich und Griechenland. Bei uns spielen die klassischen Urlaubsdestinationen wie Spanien und Italien im Sommer keine große Rolle. Dann ist es unseren Kunden dort zu heiß, aber diese Ziele sind dann ab September wieder dran.
Sind das Reisen aus dem ursprünglichen Programm?
Das sind ganz normale Katalogreisen, für die wir schon vor der Corona-Pandemie viele Buchungen hatten und die Gäste auch bei der Stange geblieben sind.
Was ist mit Fernreisen?
Da hat das Auswärtige Amt ja bekanntermaßen die Reisewarnung bis Ende August verlängert. Wie sind gerade dabei, die betroffenen Reisen abzusagen. Die ersten Fernreise-Angebote für 2021 haben wir aber gerade veröffentlicht und auch zur Buchung freigegeben.
Welche Länder werden vielleicht früher wiederkommen, welche eher später?
Brasilien wird sicher noch länger dauern, auch Indien. Es gibt aber rund 30 Länder, darunter Kanada, Japan oder Georgien, die für uns als Reiseziele auch im Spätsommer relevant sind und vom Robert-Koch-Institut nicht als Risikogebiete eingestuft werden. Hier warten wir die von Außenminister Maas angekündigten bilateralen Verhandlungen ab.
Wie fühlt sich das Studienreisen-Erlebnis nach Corona an?
Die Hygienekonzepte der einzelnen Länder sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Abstand halten und eine Maske gelten aber fast überall. Im Bus schreiben wir einen Mund-Nasen-Schutz vor. Es wird kein „normales“ Reisen sein, aber auch nicht anders als wir uns hier in Deutschland in der „neuen Normalität“ bewegen. Ansonsten ist das Reiseerlebnis relativ ungetrübt. Wir entzerren manche Reisen, um den Kunden Gelegenheit zu geben, sich zwischendurch im „eigenen Haushalt“ frei zu bewegen und etwa einen Spaziergang in der Stadt zu unternehmen. Wenn wir in der Gruppe mit dem Reiseleiter unterwegs sind, können die Gäste mit unseren Audiosets genügend Abstand halten.
Viele Studiosus-Gäste sind älter. Herrscht hier die Angst vor Ansteckung vor oder die Reiselust?
Es gibt beides. Der Wunsch, andere Kulturen kennenzulernen, ist auf jeden Fall da. Wir empfehlen unseren Kunden zumindest auf dem Flug FFP2-Masken zu tragen, weil die nicht nur andere schützen, sondern auch einen selbst. Am besten hat man für jeden Tag eine dabei.
Der Klimawandel ist in der Öffentlichkeit durch Corona in den Hintergrund gerückt. Nicht bei Studiosus. Was haben Sie vor?
Der Klimawandel ist ja durch Corona nicht verschwunden. Deshalb haben wir uns zu einem „grünen“ Re-Start entschlossen. Wir werden eine wichtige Wegmarke setzen und ab dem kommenden Jahr alle unsere Reisen komplett kompensieren. Das haben wir in den vergangenen Jahren für die Bus-, Bahn- und Schiffsfahrten bereits getan, aber jetzt kommen der Flug, die Übernachtungen und die Mahlzeiten dazu. Dabei kompensieren wir nicht nur das reine CO2, sondern auch alle anderen Treibhausgase, die durch die Reise verursacht werden.
Wie funktioniert die Kompensation bei Studiosus?
Wir arbeiten seit vielen Jahren mit der Klimaschutzorganisation Myclimate zusammen. Mit deren Hilfe errechnen wir für jede einzelne Reise den Ausstoß von Treibhausgasen. Bei einer achttägigen Griechenland-Reise kommt etwas mehr als eine Tonne zusammen, bei einer Fernreise je nach Ziel bis zu fünf Tonnen.
Wie viel teurer werden Ihre Reisen durch die komplette Kompensation?
Das ist sehr unterschiedlich und lässt sich schwer pauschal sagen. Für eine Europa-Reise liegt das im einstelligen Euro-Bereich, bei Fernreisen ist der Betrag zweistellig. Die Kompensation ist Teil der Kalkulation einer Reise und wir geben nicht alle Kosten weiter. Für den Ausgleich zahlen wir einen marktüblichen Preis.
Was passiert mit dem Geld?
Das investieren wir über Myclimate in Biogasanlagen. Bisher vor allem in Indien, wegen des deutlich größeren Volumens künftig auch in Nepal. Wir konzentrieren uns auf Biogasanlagen, weil damit nicht nur Treibhausgase kompensiert werden, sie haben auch einen großen sozialen Nutzen. Nachhaltigkeit ist nicht nur Klimaschutz. Die Frauen, die Eigentümer der Biogasanlagen sind, müssen kein Holz mehr sammeln, es gibt weniger Unfälle und Augenerkrankungen durch Rauch. Außerdem entsteht hochwertiger Biodünger.
Wie viele Biogasanlagen habe Sie schon finanziert?
Wir unterstützen das Projekt in Indien seit 2012. Durch unsere Kompensationszahlungen und freiwillige Spenden unserer Gäste haben wir schon über 3.600 Biogasanlagen gebaut.
Sind Ihre Kunden bereit, einen Aufpreis für klimaneutrale Reisen zu bezahlen?
Ja, die Bewusstheit und der Wunsch, in eine nachhaltigere Zukunft zu investieren, ist gestiegen. Ausserdem ist es kein Aufpreis, sondern integrativer Bestandteil unseres nachhaltigen Reiseangebotes.
Wie sieht es durch Corona wirtschaftlich bei Studiosus aus?
Nach dem Lockdown Mitte März haben wir in einer enormen Kraftanstrengung innerhalb von acht Tagen unsere mehr als 2.000 Reisenden aus aller Herren Länder nach Hause geholt – nur mit eigenen Kräften, ohne Hilfe und Sonderflüge vom Auswärtigen Amt. Seither haben wir nach und nach rund 30.000 Kunden ihre Reise absagen müssen und alle Anzahlungen rechtskonform voll zurückgezahlt.
Warum keine Gutscheine wie andere?
Ich bin der Meinung, durch die Gutschein-Debatte ist viel Vertrauen in die Branche verlorengegangen. Wir haben 75 Prozent Stammkunden, deren Vertrauen wollten wir durch solche Diskussionen nicht aufs Spiel setzen. Gerade in Krisensituationen ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen und es nicht leichtfertig zu verspielen. Dafür gibt es viele positive Beispiele aus den vergangenen Jahren.
Finanziell war das kein Problem für Studiosus?
Nein, wir hatten und haben keine Probleme, die Kundengelder für abgesagte Reisen zurückzuzahlen. Wir haben in den zurückliegenden Jahrzehnten genügend Rücklagen gebildet, um solche schlechten Zeiten durchzustehen.
Wie geht Studiosus mit den Provisionen für abgesagte Reisen um?
Auch hier bewegen wir uns im gesetzlichen Rahmen. Ein Provisionsanspruch entsteht laut HGB erst dann, wenn ein Geschäft zur Ausführung kommt. Wir haben auch in der Vergangenheit die Provisionen dann bezahlt, wenn klar war, dass eine Reise stattfindet, in der Regel innerhalb der Abreisewoche. So handhaben wir das auch weiter. Wenn Reisen abgesagt werden müssen, entfällt der Provisionsanspruch und für uns der Deckungsbeitrag. Auch wir haben im Vorfeld in den Geschäftsabschluss investiert. Wir hatten da auch keine Diskussionen mit den Reisebüros.
Wie sieht die Umsatzprognose für dieses und nächstes Jahr aus?
Genau lässt sich das natürlich nicht sagen. Aber wir gehen davon aus, dass wir 2020 gerade mal 10 bis 15 Prozent des Vorjahresumsatzes erreichen. Es kommen derzeit zwar wieder Buchungen rein, aber das ist noch weit entfernt von normalen Zeiten. Im nächsten Jahr erwarten wir etwa die Hälfte des Umsatzvolumens von 2019, aber wir haben uns in unserem Reiseangebot für 2021 darauf eingestellt und das Kurzarbeitsgeld hilft natürlich sehr, auch die Kosten im Griff zu behalten.
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