Streit um Kundengeldabsicherung nimmt Fahrt auf
Nachdem der Versicherer Zurich angekündigt hat, die maximale Summe von 110 Millionen Euro werde "bei weitem nicht reichen“, um die von der Cook-Pleite betroffenen Kunden zu entschädigen, sehen sich Kritiker der bestehenden Deckelung bestätigt und fordern eine Erhöhung.
Die Begrenzung der Haftung auf 110 Millionen Euro ist vom Gesetzgeber vorgegeben und sollte dazu dienen, die Beiträge für die Kundengeldabsicherung nicht zu hoch werden zu lassen. Der Betrag wurde seit den 90er Jahren nicht erhöht, obwohl die Umsätze der großen Anbieter seither kräftig nach oben gingen.
Der Kundengeldabsicherer haftet für sämtliche Beträge, die er in einem Jahr zu erstatten hat, nur bis zu dieser Grenze. Reicht diese Summe nicht für alle Reisenden aus, dann verringert sich laut Zurich Insurance der Erstattungsbetrag in dem Verhältnis, in dem der Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrag steht. Nun ist offenbar klar: das Geld wird nicht reichen, um sämtliche berechtigten Forderungen abzudecken.
Gutachten seit drei Jahren angekündigt
Genau davor hatten Experten gewarnt. Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, erklärte nach der Cook-Pleite in der vergangenen Woche: "Der Verbraucherzentrale Bundesverband macht bereits seit Langem darauf aufmerksam, dass der Höchstbetrag der Absicherung von 110 Millionen Euro pro Reiseveranstalter und Jahr deutlich angehoben werden muss. Denn ob der Betrag bei der Pleite eines Branchenschwergewichts ausreicht, ist nicht sicher."
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz habe vor drei Jahren angekündigt, ein Gutachten darüber einzuholen, ob und um wie viel der Höchstbetrag angehoben werden muss, so Müller. Bis heute liege jedoch kein Gutachten vor. Auch der Reisebüroverband VUSR und der Mittelstandsverband ASR warnten vor einer unzureichenden Deckung. “Die Absicherung über den Deutschen Reisepreis-Sicherungsverein VVaG ist völlig unzureichend: Hier sind die Verbraucher seit 25 Jahren durch die Bundesregierung systematisch im Unklaren gelassen worden", kritisierte ASR-Präsident Jochen Szech die Sonderregelung bei der Insolvenzabsicherung für Großveranstalter.
Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte bereits im März gefordert, die Deckungssumme auf mindestens 300 Millionen Euro anzuheben. Ihr Antrag scheiterte selbst unter dem Eindruck der Thomas-Cook-Pleite vergangene Woche im Tourismusausschuss des Bundestages.
DRV sieht Prüfungsbedarf
Sehr zurückhaltend gibt sich der DRV mit einer Bewertung. "Der Fall Thomas Cook wirft Fragen auf, wie die Insolvenzversicherung zukünftig aufgestellt werden soll", sagt die neue Leiterin Strategie und politische Kommunikation, Ellen Madeker, auf Anfrage von Reise vor9. Wie hoch eine ausreichende Kundengeldabsicherung in Zukunft sein solle, könne "erst nach einer umfassenden Analyse abschließend beantwortet werden“.
Deshalb sei es gut, dass die Bundesregierung in einem Gutachten feststellen wolle, "ob die Insolvenzregelungen, wie sie derzeit ausgestaltet sind, ausreichen oder modifiziert werden müssen". Das Vergabeverfahren sei Ende letzten Jahres eröffnet worden. Es sei geplant, einen Beirat einzurichten, um das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten, so Madeker weiter. Der DRV sei bereit, in dem Beirat mitzuwirken.
Das Thema wird die Gerichte beschäftigen
So oder so werden sich die Branche und die Bundesregierung auf eine Fülle von Klagen einstellen müssen, wenn das Geld nicht reicht. "Grundsätzlich fordert die neue Richtlinie einen wirksamen Insolvenzschutz, der einen ausreichenden hohen Prozentsatz des Veranstalterumsatzes aufweisen muss", sagt Reiserechtler Ernst Führich. "Diese starre Grenze erscheint im Lichte eines Großschadens bei mehreren gleichzeitigen Insolvenzen eines Großveranstalters mit mehreren Töchtern als Reiseveranstalter, die alle bei einem einzigen Absicherer versichert sind, nicht mehr richtlinienkonform", stellt er fest. Daher könnte der Staats wegen Verstoßes gegen Pauschalreiserichtlinie in die Haftung für die fehlenden Beträge geraten.
Christian Schmicke