Sicherungsfonds für Kundengelder lässt noch Fragen offen
Laut einem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums soll die Insolvenzsicherung über einen zentralen Reisepreissicherungsfonds organisiert werden, der binnen fünf Jahren auf 750 Millionen Euro anwachsen soll. Bei der längst fälligen Regelung bleiben allerdings einige Fragen offen, wie Verbände in ersten Stellungnahmen unterstreichen.
Spätestens seit der Pleite von Thomas Cook war es klar, dass der geltende Schutz von Kundengeldern weder den Vorgaben der EU noch der tatsächlichen Absicherung im Falle einer großen oder mehrerer Pleiten von Reiseveranstaltern genügt. Die Deckelung der Versicherungssumme bei 110 Millionen Euro führte dazu, dass die Differenz aus der Staatskasse beglichen werden musste, auch wenn die Bundesregierung ihre entsprechende Zusage als freiwillige Leistung etikettierte.
Die eigentlich dringend geforderte Neuregelung der Absicherung von Kundengeldern krankte schließlich wohl daran, dass die Corona-Krise andere Themen in den Vordergrund spülte – obwohl gerade die Notlage der Touristik eine Neuregelung um so wichtiger erscheinen lässt. Nicht zuletzt durch den Rückzug des Versicherers HDI aus dem Geschäftsfeld droht einer dreistelligen Zahl von Veranstaltern ein Verlust ihrer gesetzlich geforderten Absicherung.
750 Millionen Euro in fünf Jahren
Nun also gibt es den Referentenentwurf für einen Reisesicherungsfonds, der bis 2026 auf 750 Millionen Euro ausgebaut und die gesetzlich vorgeschriebene Absicherung und den Sicherungsschein für Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen bieten soll. Dieser soll sich durch Entgelte der Veranstalter finanzieren. Zusätzlich sind individuelle Sicherheiten je nach Bonität und Risiko eines Veranstalters vorgesehen, die im Fall seiner Insolvenz zuerst verwertet werden. Diese Sicherheiten können weiterhin über Versicherer oder Kreditinstitute gestellt werden.
Die bisherige Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro pro Versicherer und Jahr soll nach den Plänen entfallen und durch eine Haftungsbegrenzung in Höhe von 22 Prozent des Jahresumsatzes des abzusichernden Veranstalters ersetzt werden. Damit sei auch das erwartbare maximale Risiko der sechs größten Reiseveranstalter abgedeckt, die bislang von der alten Begrenzung profitiert hätten, heißt es.
In der Aufbauphase soll der Fonds einer strengen staatlichen Aufsicht unterliegen, zugleich aber von der Tourismusbranche selbst als GmbH verantwortet werden. Ein Beirat aus Vertretern von Bund, Ländern, Touristik und Verbrauchern soll künftig darüber wachen, dass die jeweiligen Interessen berücksichtigt werden – auch diejenigen von kleinen und mittelgroßen Veranstaltern.
Kritik an der Drei-Millionen-Grenze
Ausnahmen gibt es für Veranstalter, deren Umsatz mit Pauschalreisen im Durchschnitt der letzten drei Jahre unterhalb von drei Millionen Euro liegt. Außerdem werden gelegentliche Vermittler verbundener Reiseleistungen, also typischerweise Reisebüros, von den Einzahlungen in den Fonds befreit, wenn sie wie bisher über individuelle Verträge mit einem Versicherer oder Kreditinstitut ihren Absicherungspflichten nachkommen.
In ersten Reaktionen begrüßten die touristischen Verbände die Einführung einer tragfähigen Lösung. Allerdings kritisierten sie, dass ihnen nur zwei Tage zur Formulierung einer Stellungnahme blieben. Inhaltlich prägen vor allem Einwände zur Drei-Millionen-Euro-Grenze zur Befreiung von der Pflicht der Einzahlung in den Fonds das Bild. So fordert der Mittelstandsverband ASR, die Grenze müsse auf mindestens 50 Millionen Euro Jahresumsatz erhöht werden. Ansonsten sei "bereits kurzfristig davon auszugehen, dass sich auch die noch verbliebenen Versicherer des Insolvenzrisikos aus dem Markt verabschieden, da sich diese Sparte aufgrund des geringen Versicherungsvolumens für sie nicht mehr rechnet", erklärt der Verband auf Anfrage von Reise vor9. Zudem fehle "jegliche Lösung für die Absicherung hunderter Veranstalter, die bereits jetzt ohne Versicherer agieren", beklagt der ASR.
Wird der Fonds zu teuer?
Auch beim Dachverband BTW mischt sich die Erleichterung über eine rechtssichere Regelung in Sichtweite mit der Sorge um eine zu hohe Belastung der ohnehin von der Corona-Krise schwer gebeutelten Veranstalter. Die Vorgabe, ohne staatliche Einlage binnen fünf Jahren ein Volumen von 750 Millionen Euro aufzubauen, hält man dort für zu scharf. Zudem sei die Drei-Millionen-Euro-Grenze zur Befreiung von der Einzahlungspflicht zu niedrig angesetzt.
Vom Reisebüroverband VUSR heißt es auf Anfrage, man begrüße es sehr, dass nun endlich ein Entwurf vorliege, "der in erster Linie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher schützen soll". Zu beobachten sei unter anderem die Frage, wie mit ausländischen Anbietern für den deutschen Markt umgegangen werde und ob sämtlichen Veranstaltern, unabhängig von ihrer Bonität, der Zugang zum Sicherungsfonds gewährt werde.
Christian Schmicke