ZDF-Doku: Kreuzfahrt-Neustart mit vielen alten Problemen
Unter dem Titel "Endlich wieder Kreuzfahrt!" widmete sich das ZDF am Dienstagabend der Wiederaufnahme des Kreuzfahrtbetriebs. Der Bericht zeigt zufriedene Passagiere, die sich mit den Corona-Maßnahmen an Bord und bei Ausflügen arrangieren. Aber auch die bekannten Schwachstellen der Branche werden nicht ausgespart.
Die "Bubble“, jene Blase, die sichere Kreuzfahrten im Zuge der Corona-Pandemie wieder ermöglichen soll, bestimmt den Alltag an Bord der Mein Schiff 5 der TUI-Cruises-Flotte, die das ZDF-Team auf einer Griechenland-Reise begleitet. Zugleich sorgt die Begrenzung der maximalen Passagierzahl dafür, dass für die einzelnen Passagiere ungewöhnlich viel Platz vorhanden ist.
Die Reportage vermittelt den Eindruck zufriedener Passagiere, die sich eine Auszeit vom Pandemie-Alltag gönnen, die Verpflegung an Bord und sogar Konzerte genießen. Einzig die Disco bleibt dicht. Zum Zeitpunkt der Reise, Ende Mai, erscheint das Leben an Bord normaler als das im Lockdown-Alltag.
Eisern sind indes die Vorschriften bei Landgängen, die ausschließlich in Form geführter Ausflüge möglich sind. Wer auf eigene Faust loszieht, darf nicht wieder an Bord. Und beim Bummel durch die Gassen griechischer Inselstädtchen dürfen die Kreuzfahrer auf keinen Fall in oder vor einer der vielen Tavernen Platz nehmen. Das "Bubble"-Prinzip will es so.
Froh über die Rückkehr – Arbeitsbedingungen bleiben kritisch
Zugleich wirft die Reportage einen Blick auf die Lebenswelt der Mitarbeiter an Bord, die 16 Monate lang ihren Job nicht machen konnten. Künstler berichten von Freunden, die in andere Sektoren abgewandert sind und sind froh, dass es nun wieder losgeht – wohl wissend, dass auf den Kreuzfahrtschiffen, die nun wieder unterwegs sind, nur ein kleiner Teil der früheren Besatzungen untergekommen ist.
Auch die Lage des oft aus Südostasien stammenden Servicepersonals wird beleuchtet. Das verdient zwar an Bord rund das Vier- bis Fünffache des zum Beispiel auf den Philippinen üblichen Gehalts; allerdings ist die Bezahlung mit zwei bis vier Euro pro Stunde gemessen an europäischen Standards lächerlich gering, wie Tourismusprofessor Torsten Kirstges unterstreicht.
Ein philippinischer Hilfskoch, der in seiner Heimatstadt Manila auf eine baldige Rückkehr an Bord hofft, berichtet, dass er vor der Krise rund 850 pro Monat verdiente. Dafür arbeitete er nach eigenen Angaben neun Monate lang etwa zwölf bis 14 Stunden am Tag, ohne Unterbrechung an Wochenenden. An manchen Tagen habe er es nicht mal mehr geschafft, zum Schlafen seine Uniform auszuziehen.
Darauf angesprochen, verweist TUI Cruises darauf, dass im Hinblick auf Arbeitszeiten nicht 14, sondern zehn Stunden die Regel seien. Mögliche Verstöße würden überprüft. Eine ebenfalls befragte Gewerkschaftsvertreterin begegnet indes, dass Klagen über die Arbeitsbedingungen äußerst selten seien – vor allem deshalb, weil die Beschäftigten Angst hätten, ihren im Vergleich zum eigenen Heimatland gut bezahlten Job zu verlieren.
Noch viele Hausaufgaben beim Umweltschutz
Auch die Umweltproblematik kommt natürlich auf den Tisch – angefangen vom Overtourism-Paradebeispiel Venedig über den Qualm aus den Schloten der Schiffe bis hin zu Lösungsansätzen wie Landstrom beim Aufenthalt in Häfen und alternativen Kraftstoffen. Immerhin attestiert ein Vertreter des Naturschutzbundes Nabu den deutschen Kreuzfahrtreedereien, dass sie mit ihrem Einsatz umweltschützender Technologien deutlich weiter gehen als dies der Gesetzgeber vorgesehen habe. So könne die Kreuzfahrt Vorbild für den gesamten Schifffahrtssektor werden, von dem sie selbst nur einen winzigen Teil ausmacht.
Als Fazit bleibt, dass das Neue am Neustart der Kreuzfahrtindustrie im Wesentlichen die Corona-Regularien an Bord und bei Landausflügen sind. Gemessen an den Erfahrungen der vergangenen Monate scheint die Branche hier einen guten Job gemacht zu haben. Alle anderen, in dem Beitrag sehr sachlich beleuchteten Themen gab es schon vor Corona, und sie werden nach einem möglichen Ende der härtesten Pandemie-Einschränkungen nicht verschwinden. Kreuzfahrtprofis lernen mithin in dem Beitrag wenig Neues. Und die Branche wird damit leben müssen, dass sie weiter unter Beobachtung steht.
Christian Schmicke
Der Beitrag ist in der ZDF-Mediathek verfügbar