Wie sich Flugreisen in Corona-Zeiten anfühlen
Airlines und Hotellerie wirken gut auf die neuen Regelwerke im Zuge der Corona-Pandemie vorbereitet, hat Reise vor9-Chefredakteur Christian Schmicke (Foto) im Selbstversuch ermittelt. Die Maskenpflicht über viele Stunden hinweg ist allerdings gewöhnungsbedürftig.
Sonntag, 21. Juni 2020: Abgesehen vom leicht pannengebeutelten Pilotprojekt der TUI ist dies der erste Tag, an dem Touristen aus Deutschland wieder ohne besondere Gründe nach Spanien einreisen dürfen. Condor und DER Touristik bringen an diesem Tag rund 130 Reisebüroprofis in das Iberostar-Hotel Cristina an der Playa de Palma, um Ihnen zu zeigen, wie das "neue Reisen" unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie gestaltet.
Noch ist alles an der Situation Ausnahmezustand - der Frankfurter Flughafen ist nahezu verwaist, außer dem Condor-Flug nach Mallorca und einem weiteren Flug auf eine griechische Insel ist nichts los. Dennoch gilt im gesamten Flughafen Maskenpflicht. Beim Check- in und der Sicherheitskontrolle entfallen die gewohnten Warteschlangen.
Gähnende Leere an den Airports
Gleichwohl ist ein Kontrollbereich wegen Überlastung kurzfristig geschlossen; der Airport hat sich der fehlenden Nachfrage durch Kurzarbeit angepasst. Angesichts der allgemeinen Leere spielt das keine Rolle - wie sich die Lage nach dem Beginn der Sommerferien darstellen wird, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Bis man den Flieger betreten hat, sind bereits zwei Stunden mit Mund-Nasen-Schutz vergangen. Das ist durchaus gewöhnungsbedürftig, wenn man sonst nur gewohnt ist, die Maske für die üblichen zehn Minuten im Supermarkt zu tragen. Mit den Aufenthalten im Flughafengebäude vor dem Start und nach der Landung kommen bei einem Mallorca-Flug schnell fünf Stunden Maskenpflicht zusammen. Der ebenfalls maskenpflichtige Bustransfer steht da noch bevor. Zeitgenossen, für die nicht ohnehin aus beruflichen Gründen das Tragen der Schutzmasken zur Routine geworden ist, sei deshalb geraten, die Bequemlichkeit ihrer Maskierungs-Utensilien vor der Abreise zu prüfen.
Der "Ballermann 6", der sich heute "Beach Club Six" nennt, ist geschlossen
Keine Chance für Partytouristen
Mallorca präsentiert sich momentan mitten im Sommer von einer Seite, die für Besucher völlig ungewohnt ist. Die "Balneario"-Kneipen inklusive der Gastronomie am berühmt-berüchtigten „Ballermann 6“ sind dicht. Die Etablissements in der Schinkenstraße sind verbarrikadiert. Am Strand von Palma herrscht indes reger Betrieb, ohne dass es dort voll wäre. An diesem Sonntag nutzen viele Einheimische die Gelegenheit zum Sonnenbad.
Das Hotel Iberostar Cristina hat sich intensiv auf die erwarteten Gäste vorbereitet. An vielen Stellen gibt es Spender für die Handdesinfektion, die Rezeption ist durch Plexiglasscheiben geschützt und das Buffetrestaurant wartet ebenfalls mit einer neuen Service-Variante auf. Die Abläufe hat Iberostar laut Firmenchef Miguel Fluxá getestet, indem Mitarbeiter zum Kurzurlaub eingeladen wurden. Mit ihnen wurde der Normalbetrieb simuliert.
Wegeregeln am Büffet
Die Gastronomie, die wohl der neuralgischste Punkt der Ferienhotellerie in Sachen Corona-Schutz ist, präsentiert sich mit dem bekannten Angebot am Büffet, allerdings lagert dieses hinter Plexiglas. Mitarbeiter schichten die gewünschten Zutaten auf Teller, die sich die Gäste nicht einfach von irgendwoher holten – sie stehen vielmehr neben den Speisen bereit. Gegessen wird im Schichtbetrieb, um das Restaurant zu entlasten.
Die "Verkehrsströme" sind im Restaurant streng geregelt. Für Gäste, die auf der Terrasse speisen, gibt es einen Eingang und einen Ausgang. Jeder zweite Tisch bleibt frei. Im Testbetrieb wirkt der Service professionell und entspannt, allerdings ist das Hotel weit von der vorgesehenen Höchstauslastung, die Iberostar auf 70 Prozent festgelegt hat, entfernt. Doch auch dann werde das modifizierte Gastronomie-Konzept funktionieren, versichert Iberostar. An der Perfektionierung der Abläufe feile man täglich, heßt es.
Nicht voll, aber durchaus belebt: Playa de Palma
Der Flug als notwendiges Übel
Fazit: Urlaub auf der beliebtesten Ferieninsel der Deutschen, Mallorca, ist wieder möglich; allerdings eignet sich das Angebot nicht für alle Zielgruppen gleichermaßen. Mit Party-Exzessen dürfte es in diesem Jahr nichts werden; jenseits der ersten Strandreihe bietet Playa de Palma daher ein ziemlich tristes Bild. Dem Finca-Urlaub oder entspannten Familienferien in der Hotellerie steht dagegen nichts im Weg - vorausgesetzt, man ist bereit, sich den Regularien der Hotellerie anzupassen und scheut die Anreise im möglicherweise vollbesetzten Flieger nicht. Denn der Flug wird, bei allem Engagement freundlicher Crews, mehr noch als schon zuvor zum notwendigen Übel, um ans Ziel zu gelangen.
Ob sich die strengen Abstands- und Maskierungsgebote auch im Echtbetrieb durchsetzen und durchhalten lassen, wird sich zeigen müssen. Bleibt zu hoffen, dass die Reiseindustrie mit der Einschätzung, dass ihre Sicherheitsmaßnahmen wirken, Recht behält. Denn eine weitere Schließung der Grenzen und des öffentlichen Lebens würden weite Teile der Branche vermutlich nicht überstehen.
Christian Schmicke