Was Russlands Überfall auf die Ukraine der Touristik bringt
Die Aktien touristischer Unternehmen und die von Airlines gaben am Donnerstag teils kräftig nach. Dem Flugverkehr droht weiteres Ungemach. Der Europa-Park geht auf Distanz zum bisherigen russischen Sponsor. Und Trekkingreise-Spezialist Hauser will Russland touristisch boykottieren.
Die Schockmeldung vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine prägte am Donnerstag die Schlagzeilen. Auch viele Touristiker meldeten sich über Social Media zu Wort, um ihrer Betroffenheit und Empörung Ausdruck zu verleihen. Dabei ging es meist weniger um die Auswirkungen des Krieges auf die Touristik als um allgemeine Meinungsäußerungen zu Krieg und Frieden.
Das Auswärtige Amt hatte am Donnerstagmorgen alle Deutschen dringend aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. Noch sei "eine hohe dreistellige Zahl von Deutschen auf der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes registriert", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Die Behörde gehe zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Eine Evakuierung von Bundesbürgern durch deutsche Behörden sei derzeit nicht möglich, heißt es in den Reise- und Sicherheitshinweisen. Das Generalkonsulat in Donezk und die deutsche Botschaft in Kiew seien vorübergehend geschlossen.
Keine generelle Warnung vor Russland-Reisen
Mit Blick auf Russland rät das Auswärtige Amt bislang nur von Reisen nach Südrussland in die Grenzregionen zur Ukraine dringend ab. Zudem macht die Behörde darauf aufmerksam, dass bis zum 2. März acht Flughäfen in Südrussland geschlossen wurden: die Flughäfen in Rostow, Krasnodar, Anapa, Gelendschik, Belgorod, Orel, Kursk und Woronesch. Ferner sei in fünf Regionen (Rostow, Krasnodar, Saratow, Woronesch und Wolgograd) der Notstand ausgerufen worden. Dies könne zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens führen, heißt es.
Touristik-Aktien unter Druck
An den Börsen gingen unterdessen die Aktien von Tourismus- und Luftfahrtunternehmen noch stärker in die Knie als die Leitindizes. Bis Donnerstagnachmittag gab die Lufthansa-Aktie um 6,5 Prozent nach, Air France und KLM verloren rund sechs Prozent. Die Aktie von Booking Holdings rauschte um zwölf Prozent nach unten, Expedia verlor rund fünf Prozent. Für TUI ging es zunächst um bis zu acht Prozent nach unten, später erholten sich die Papiere und notierten noch drei Prozent unter dem Vortag.
Für TUI ist der russische Überfall auf die Ukraine auch deshalb brisant, weil der russische Oligarch Alexej Mordaschow über das von ihm kontrollierte Unternehmen Unifirm Limited 34 Prozent der Anteile an TUI hält. Ob die Sanktionen Deutschland oder der EU auch gegen ihn greifen und welche Auswirkungen dies auf den Reisekonzern mit Sitz in Hannover hätte, ist bislang unklar.
Umwege für den Luftverkehr
Wie bereits berichtet, ist der Luftraum über der Ukraine geschlossen. Dasselbe gilt für die Republik Moldau. Fluggesellschaften, die auf ihren Routen nach Fernost normalerweise die Ukraine überqueren, müssen nun Umwege in Kauf nehmen. Die Lage könnte sich weiter verschärfen, wenn etwa die EU Flugverbote gegen russische Airlines wie Aeroflot verhängt. Denn dann ist von einer russischen Gegenreaktion auszugehen, was zur Sperrung des gesamten russischen Luftraums für Maschinen aus der EU führen könnte.
Sorge bei Veranstaltern
Bei den Reiseveranstaltern herrscht unterdessen Sorge, dass der Ukraine-Krieg die gerade wiederentdeckte Reiselust der Deutschen erneut bremsen könnte. So vermutet FTI-Chef Ralph Schiller, ein Konflikt vor den Toren Europas habe Einfluss auf das Buchungsverhalten der Bundesbürger. Bentour-Chef Deniz Ugur blickt ebenfalls mit Sorge den Ukraine-Konflikt. Momentan gebe es zwar keine Buchungsdelle aus Deutschland, sagte er der Tagesschau, aber natürlich erwarten die Hoteliers in der Türkei auch viele Gäste aus Russland und der Ukraine. Die Tourismus-Branche in der Türkei könne sich keine weitere schlechte Saison mehr leisten.
Noch direkter trifft der Krieg die Osteuropa-Spezialisten. So berichtet Jochen Szech, Inhaber von Go East Reisen, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine träfen bereits gehäuft Stornierungen für Russland-Reisen ein. Vor allem in nächster Zeit geplante Reisen würden abgesagt, berichtete er dem Fachblatt FVW. Von einer Einstellung von Reisen nach Russland hält er nichts. Das träfe mit den Guides und Gästefamilien die falschen Personen.
Anders sieht das der Chef des Trekking-Spezialisten Hauser Exkursionen, Manfred Häupl. Er will bis auf weiteres keine Russland-Reisen mehr anbieten. "Wer Völkerrecht absichtlich mit Füßen tritt und zudem militärisch aktiv in ein Nachbarland einmarschiert, darf nicht toleriert werden", sagt Häupl. "In einigen Regionen der Erde müssen wir stets abwägen, inwieweit der Bevölkerung durch Tourismus Hoffnung und Perspektive erhalten bleiben, ohne dabei das Regime zu unterstützen. Hier verhält es sich anders, daher mussten wir diese Entscheidung treffen."
Auch der Rengsdorfer Veranstalter Berge & Meer setzt Russalnd-Reisen aus. Auf der Website heißt es: "Aufgrund der aktuellen Situation führt Berge & Meer bis auf Weiteres aus ethischen und moralischen Gründen keine Russland-Reisen mehr durch." Bei Studiosus sind Reisen in die Ukraine oder nach Russland erst ab Juni wieder geplant. Man werde die weitere Entwicklung "sehr aufmerksam verfolgen".
Europa-Park beendet Gazprom-Sponsoring
Deutschlands größter Freizeitpark, der Europa-Park in Rust, und der Gaspipeline-Betreiber Nord Stream 2 haben wegen des Kriegs in der Ukraine ihre Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Dort hießen Attraktionen bislang etwa "Blue fire Megacoaster powered by Nord Stream 2", "Nord Stream 2 Dome" und zuvor gar "Gazprom Erlebniswelt". Auf der Website wurden die Attraktionen bereits umbenannt. Welche Summen für das Sponsoring geflossen sind und dem Europa-Park nun fehlen, enthüllt das Freizeitunternehmen nach einem Bericht des Spiegel nicht.
Christian Schmicke