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31. Juli 2018 | 12:19 Uhr
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Streitfrage: Müssen Airlines Kunden

Nahezu täglich befasst sich angesichts der anhaltenden Streiks bei Ryanair jemand mit der Frage, welche Möglichkeiten Passagiere haben, wenn sie von den daraus resultierenden Flugausfällen betroffen sind. Dabei widersprechen die Auffassungen einander bisweilen deutlich. Während etwa das Fluggastrechteportal Airhelp jubiliert, nach den Streiks im Juli stünden Ryanair-Passagieren 33 Millionen Euro an Entschädigungen zu, kommt die kürzlich vom Fluggastportal Flightright übernommene Plattform Flugrecht zu einem ganz anderen Ergebnis. "Die Rechtsprechung zu regulären Streiks ist bisher eindeutig auf Seiten der Airlines", schreibt der Betreiber an Reise vor9. Mit anderen Worten: Es besteht kein Anspruch auf Entschädigung.

Völlig unstrittig ist lediglich, dass Fluggäste im Fall der Flugannullierung, Nichtbeförderung oder bei Verspätung von mindestens fünf Stunden die Möglichkeit haben, zwischen der Erstattung des Flugpreises und anderweitiger Beförderung zu wählen. Darauf weist das Luftfahrt-Bundesamt hin. Zudem sei die Fluggesellschaft verpflichtet, die Betreuung der Passagiere entsprechend der Wartezeit zu gewährleisten und angemessene Kosten für eventuelle Übernachtungen zu übernehmen, außer, die Passagiere wählen die Kostenerstattung. Dies sei Teil der Verordnung EG 261/2004 und gelte auch bei Streiks.

BGH definiert Streiks als außergewöhnliche Umstände

Komplizierter ist die Lage beim Thema Schadenersatz. Ryanair hatte ihren Kunden gleich nach beginn der Streiks schon mitgeteilt, dass sie keine Entschädigung erwarten könnten. Denn die Annullierungen seien durch "außergewöhnliche Umstände hervorgerufen" worden, so die Fluggesellschaft. Gemäß EU-Recht müsse die Airline nicht zahlen, wenn die Gewerkschaften "unvernünftig und völlig außerhalb des Einflussbereiches der Airline handeln".

Zumindest die bisherige Rechtsprechung in Deutschland sieht das genauso. Der Bundesgerichtshof hat 2012 und 2014 entschieden, dass ein rechtmäßiger Streik der Mitarbeiter eines Luftfahrtunternehmens ein außergewöhnlicher Umstand ist. Allerdings entschied der Europäische Gerichtshof im Fall der wilden Streiks bei Tuifly, als sich Mitarbeiter massenhaft krank gemeldet hatten anders und erklärte, der unangekündigte Streik des Airline-Personals befreie die Fluggesellschaften nicht von ihrer Pflicht, Passagiere zu entschädigen.

EuGH sieht Airlines in der Pflicht

Auf das EuGH-Urteil berufen sich diejenigen, die von einer Entschädigungspflicht für Ryanair ausgehen. So hat etwa Reiserechtler Ronald Schmid "erhebliche Zweifel", ob die bisher in Deutschland überwiegende Rechtsprechung zu diesem Thema noch zu halten ist. "Aus der Entscheidung des EuGH zum wilden Streik bei Tuifly lassen sich durchaus gewichtige Argumente dafür herleiten, dass die Rechtsprechung des BGH einer Überprüfung durch den EuGH nicht standhalten könnte", schreibt er.

Ähnlich argumentiert Airhelp: “Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist für sämtliche Gerichte in der EU verbindlich und betrifft alle gleichermaßen – auch Ryanair“, meint das Portal. Alle Streiks von Airline-Personal würden nach geltendem EU-Recht nicht länger als außergewöhnliche Umstände verstanden, die die Airlines von ihrer Pflicht befreien, eine Entschädigung in Höhe von bis zu 600 Euro pro Person zusätzlich zur Umbuchung oder Erstattung ihres Tickets auszuzahlen. Dafür werde man "wenn nötig, auch vor Gericht ziehen".

Genau da liegt der Knackpunkt, denn der EuGH müsste im konkreten Fall entscheiden, ob zulässige Streiks die Airlines von der Entschädigungspflicht befreien oder nicht. Und dafür muss erst einmal der Klageweg beschritten werden.

Christian Schmicke

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