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9. Dezember 2023 | 10:10 Uhr
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Prüfbericht attestiert der Deutschen Bahn Greenwashing

Der Bundesrechnungshof kritisiert gravierende Versäumnisse der Bundesregierung bei der Kontrolle des größten Staatsunternehmens. Demnach agiert die Deutsche Bahn weit weniger nachhaltig als behauptet.

ICE Foto Deutsche Bahn

Der Energiemix beim Bahnstrom im Fernverkehr sei intransparent, kritisiert der Bundesrechnungshof

Das Bundesverkehrsministerium hat ökologische und soziale Nachhaltigkeitsziele bei der Führung der Deutschen Bahn "größtenteils vernachlässigt". Mit solch deutlichen Worten kritisiert der Bundesrechnungshof in seinem neuen Jahresbericht an den Deutschen Bundestag zum Finanzgebaren der Regierung gravierende Versäumnisse bei der Kontrolle des größten Staatskonzerns. Demnach agiert die DB AG weit weniger klimafreundlich als behauptet.

Der Konzern und der Bund seien nicht mehr glaubwürdig, wenn das Ministerium von Volker Wissing (FDP) das “Greenwashing” weiter toleriere, warnt die oberste Prüfbehörde. Die DB AG wolle Vorreiter beim Klimaschutz sein, doch die tatsächliche Treibhausgasbilanz des Konzerns bleibe unklar. Der Transportriese betreibe mit der Logistiktochter Schenker und deren Lkw-Flotten weltweit klimaschädliche Geschäfte ohne Bezug zum Schienenverkehr. 2019 habe der Konzern mehr als 20 Millionen Tonnen Treibhausgase produziert, davon 70 Prozent außerhalb Deutschlands.

Rechentricks schönen die Klimabilanz

Zudem sei der Energiemix beim Bahnstrom im Fernverkehr intransparent und die entstehenden Treibhausgase beim Ausbau der Infrastruktur würden nicht berücksichtigt. Der Konzern behaupte, dass seine ICE-Flotte zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien fahre. Das treffe aber nur rein rechnerisch zu, weil der verbrauchte nachhaltige Strom überproportional dem Fernverkehr zugerechnet werde und die Energie aus klimaschädlichen fossilen Quellen allein dem Regional- und Güterverkehr.

Der Rechnungshof wirft dem Ministerium und der DB überdies "jahrelange Versäumnisse" beim Abbau von Barrieren für Reisende vor, die eingeschränkt mobil sind. Keiner der mehr als 500 Fernverkehrszüge ermögliche bis dato einen stufenfreien Zugang, obwohl seit 120 Jahren die Regelhöhe von Bahnsteigen mit 76 Zentimetern vorgegeben sei. Tatsächlich aber reiche das Sammelsurium der Bahnsteighöhen bis heute von 38 bis 96 Zentimetern, bei den meisten Zügen seien daher mehrstufige Einstiege nötig. 

Nachhaltigkeitsstrategie vernachlässigt

Hinzu komme, dass die teilweisen Hilfen beim Ein-, Aus- und Umsteigen nicht dem Bedarf von Reisenden mit Einschränkungen entspreche, kritisiert der Rechnungshof. Der Service werde lediglich an 260 der 5600 Bahnhöfe angeboten und fehle sogar in einigen Großstädten wie Recklinghausen, Remscheid und Salzgitter. An anderen Bahnhöfen seien die Servicezeiten uneinheitlich und begrenzt. An Flughafenstationen wie Berlin, Düsseldorf und München gebe es bei sehr frühen oder späten Starts und Landungen keine Hilfen.

Der Rechnungshof sieht die Politik in der Pflicht, im Interesse der Reisenden und des Umweltschutzes zügig für Verbesserungen zu sorgen. Bisher habe das Ministerium nicht sichergestellt, dass die Geschäfte der DB AG mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verknüpft sind, die zu den Leitprinzipien des Bundes gehört. Das Verkehrsressort müsse diese Strategie „endlich konsequent anwenden“ und darauf hinwirken, dass auch die DB-Führung danach handle, fordern die Prüfer. Nötig seien substanzielle Fortschritte, dabei seien Wirtschaftlichkeit und Regelwerke zu beachten.

Ministerium unter Handlungsdruck

Das Ministerium reagierte auf die Prüfergebnisse mit dem Hinweis, die DB AG wolle bis 2040 klimaneutral agieren. Nachhaltigkeit sei in der Konzernstrategie "Starke Schiene" verankert und die DB damit gut aufgestellt. Angestrebt werde, Nachhaltigkeit auch bei der Vorstandsvergütung zu berücksichtigen. Die DB prüfe, Treibhausgase beim Infrastrukturausbau anzugeben und habe sich verpflichtet, Bahnsteighöhen "weitgehend" auf 76 Zentimeter zu vereinheitlichen. Die Ausgestaltung von Servicezeiten unterliege der Planung der Bahnhofsbetreiber.

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Kritik: "Obwohl die Mängel offensichtlich sind, will das Ministerium sie nicht systematisch ausräumen." Wesentliche Aspekte nachhaltiger Unternehmensführung dürften nicht allein der DB überlassen werden, hier gebe es erheblichen Nachholbedarf. Die Prüfungen zeigten, dass "der Handlungsbedarf beim Klimaschutz und beim Abbau vermeidbarer Barrieren erheblich ist". Die Spedition Schenker sollte "baldmöglichst veräußert", die Angaben zum Energiemix im Fernverkehr transparent dargestellt werden. Das Ministerium müsse zudem auf bedarfsgerechten Service für eingeschränkte Reisende hinwirken.

Thomas Wüpper

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