Neue Fragen zur Corona-Sicherheit bei der Bahn
Ein Beitrag des ARD-Magazins „Monitor“ legt nahe, dass die Infektionsrisiken bei Bahnreisen „möglicherweise unterschätzt“ würden. Dafür spreche auch eine neue Studie aus China, die den Zusammenhang zwischen dem Abstand der Sitzplätze und dem Infektionsrisiko belege.
Die am Donnerstagabend ausgestrahlte TV-Sendung thematisiert das Problem voller Züge, defekter Klimaanlagen und unvorsichtiger Passagiere, die ihre Masken nicht oder falsch tragen. Auch der ewige Mahner, SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kommt zu Wort und erklärt, lange Zeit auf engstem Raum gemeinsam mit vielen Personen zu sitzen, sei gerade auf Fernstrecken ein "offensichtliches" Risiko. Aber auch Regionalbahnen seien "zum Teil schon wieder überfüllt". Daher müssten jetzt Maßnahmen ergriffen werden, weil sonst auch die Bahnfahrten das Risiko einer zweiten Welle erhöhten.
Eine neue Studie aus China, die Gérard Krause, Epidemiologe vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, in dem Beitrag wegen ihre umfassenden Ansatzes als "bemerkenswert" bezeichnet, zeigt laut "Monitor": Je kleiner der Abstand zwischen Reisenden ist und je länger die Fahrt dauert, umso höher ist auch das Risiko einer Infektion. Schon deshalb sei ein wirksamer Mund-Nasen-Schutz unabdingbar.
Maskenzwang nur schwer durchsetzbar
Allerdings ist der Maskenzwang in den Zügen nicht leicht durchsetzbar. Viele der Bahnreisenden hielten sich nicht daran, sagen Zugbegleiter gegenüber dem Magazin. Sie müssten Reisende immer wieder ermahnen, ihren Mund-Nasen-Schutz richtig zu tragen. "Wenn man durch jeden Wagen geht, bei jedem Gang, den man da durchgeht" komme das "mindestens fünf Mal" vor, wird ein Bahn-Mitarbeiter zitiert.
Das Problem: Eine Handhabe gegen die Reisenden haben die Bahnmitarbeiter selbst nicht. Sie können Maskenverweigerer nicht des Zuges verweisen. Dies dürfe nur die Bundespolizei, die aber nicht über ausreichend Personal verfüge, um die Maskenpflicht in allen Zügen durchzusetzen.
Wie gut sind die Klimaanlagen?
Auch ob die Klimatechnik in den Zügen ausreicht, um für virenfreie Luft zu sorgen, ist offenbar unklar. Nach Aussage der Bahn drohe hier keine Gefahr, weil die "Schienenfahrzeuge eine hohe Luftwechselrate" aufwiesen und "sehr viel Frischluft zugeführt" werde, berichtet "Monitor“. Eine Übertragung von Viren durch die Klimaanlagen halte man für "äußerst unwahrscheinlich".
Anders als in Flugzeugen verfügen die Züge allerdings über keine Virenfilter. Inwieweit dadurch ein erhöhtes Infektionsrisiko auch über Aerosole bestehe, wolle die Bahn erst noch erforschen, obwohl sich das Problem wohl schon im Winter verschärfen dürfte. Denn je mehr die Luft in den Zügen erhitzt werden müsse, umso höher sei der so genannte Umluftanteil - und umso weniger Frischluft werde zugeführt, analysieren die Autoren des Beitrags. Dass immer wieder Klimaanlagen ausfielen, verschärfe das Problem.
Manche, wie der Chef der Lokführerwerkschaft GdL, Claus Weselsky, fordere eine allgemeine Reservierungspflicht, um überfüllte Züge zu vermeiden und Abstandsgebote einhalten zu können. In anderen EU-Staaten gibt es dafür Vorbilder. Doch das lehnt die Bahn ab. Man wolle an dem "offenen System, das Bahnkunden in Deutschland sehr schätzen", festhalten.
Christian Schmicke