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4. Dezember 2020 | 13:58 Uhr
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Mobiler Vertrieb zwischen Goldgräberstimmung und Krise

Die Platzhirsche hoffen auf weiteren Zulauf, zugleich drängen mit der Rita AG und Lufthansa City Center neue Player auf den Markt. Der mobile Vertrieb könnte von der Corona-Krise profitieren, glauben viele. Zugleich wird der Ton unter den Akteuren schärfer.

Homeoffice mobiler Vertrieb

Im mobilen Vertrieb geht es derzeit rund

Kurzer Rückblick ins Jahr 2009: Bei einem Round-Table-Gespräch, an dem der Verfasser dieser Zeilen teilnahm, diskutierten sechs Vertreter des mobilen Vertriebs, der damals bisweilen noch geringschätzig betrachtet und in die Nähe modernen Hausierertums gerückt wurde, über die Perspektiven dieses Reisevertriebskanals.

Während die meisten Anwesenden entspannt schienen, knisterte zwischen zwei Vertretern eine spürbare Spannung: Amondo-Chef Achim Steinebach und Solamento-Geschäftsführer Sascha Nitsche. Nur selten konnte der Einen den Anderen reden lassen, ohne zu widersprechen. Beide verbindet, oder vielmehr trennt, eine kurze gemeinsame berufliche Geschichte aus den Jahren um 2004. Was damals geschah, darüber gehen die Darstellungen deutlich auseinander.

"Wilde Angebote" oder "neue Chancen"?

An dieser Grundkonstellation hat sich bis heute nichts geändert. Mitte der Woche ließ Nitsche per Pressemitteilung verbreiten, dass sich in der Branche der Grundtenor einschleiche, dass angestellte Expedienten aus dem stationären Reisebüro in mobile Vertriebssysteme wechseln sollen. Der Übergang mit Angestelltendasein in die Selbstständigkeit sei kein Spaziergang, warnte er. Nur jeder fünfte Kandidat sei nach seiner Einschätzung dazu geeignet. Und als Seitenhieb auf die Konkurrenz erklärte der Solamento-Gründer: „"Inzwischen tummeln sich wilde Angebote von mobilen Vertriebssystemen, gepaart mit vermeintlichen Zukunftsperspektiven."

Tags darauf schoss Amondo-Chef Steinebach zurück: „Wo die einen vor ‚blindem Aktionismus‘ warnen und Risiken sehen, freuen wir uns über den Trend, dass die mobile Reiseberatung endlich auf Augenhöhe mit anderen Vertriebszweigen angekommen zu sein scheint und wir sehen positive Impulse und Chancen“, schrieb er.

Doch nicht nur die „alte“ Konkurrenz nahm Steinebach ins Visier; auch neue Player sind ihm ein Dorn im Auge. „Veranstalter, die in den letzten Jahren nichts unversucht ließen, mobilen Vertrieb in die NTO-Schine abzuschieben und diesem wenig Daseinschance attestierten, bieten nun eigene mobile Vertriebslösungen an“, so Steinebach, wohl mit Blick auf das „Flexpi“-Modell der FTI-Vertriebsgesellschaft TVG, weiter.

Neuer Player schmiedet Allianzen

Mit einem der neuen Konkurrenten macht Steinebach indes bereits gemeinsame Sache. Mit der jungen Marke Mein Urlaubsglück der Rita AG werde Amondo im Social-Media- und B2B-Marketing kooperieren, kündigte er kürzlich an. Zudem könnten Reiseverkäufer zwischen beiden Systemen wechseln. In die Quere werde man mit dem neuen Unternehmen nicht geraten. Denn während sich Mein Urlaubsglück an Reiseberater mit Ausbildung und Berufserfahrung im Reisebüro richte, habe sich Amondo vor allem erfolgreich als Plattform für touristische Quereinsteiger etabliert, zum Beispiel aus der Hotellerie.

Ohnehin breitet der Newcomer Rita AG, in dessen Vorstand der frühere Chef des mobilen Vertriebs von TUI, Kurt Koch sitzt, seine Arme in der Branche weit aus. Denn die technische Plattform von mein Urlaubsglück wollen auch der AER-Verbund und die Lufthansa City Center nutzen. LCC-Chef Markus Orth hatte kürzlich den Start der mobilen Marke Travelista für Anfang 2021 angekündigt. Sie solle Reiseprofis eine Heimat bieten, die ihre Zukunft nicht mehr im Vertrieb über ein eigenes Ladenlokal mit Angestellten sehen. Man suche bereits nach „qualifizierten und interessierten Reiseberatern“, so Orth weiter. An Quereinsteiger richte sich das Angebot nicht.

Die einzigen Newcomer im Markt sind sie nicht. So will etwa Reise TV 24 mit Videoberatung punkten. Dabei sollen Videos von einer Plattform, die die Gründer Christian Hosbach und Wolfgang Horstehmke ihren Mitgliedern zur Verfügung stellen wollen, in Beratungsgespräche per Videotelefonie, etwa über Zoom, eingebunden.

Alternative zum stationären Vertrieb 

Auch die Reisebürokooperationen feilen an ihren mobilen Konzepten. So hat etwa Schmetterling ein spezielles Partnermodell geschnürt, das auf Büros zugeschnitten ist, die mobil werden oder ins Homeoffice wechseln wollen. Die Kooperation TSS bietet schon länger über die Tochter Onlineweg eine Lösung für mobile Büros an. Von vielen Agenturen wird sie auch als Ergänzung des stationären Vertriebs genutzt, heißt es aus Dresden.

Auch die veranstalternahen Verbünde hoffen auf neue Chancen. Die DER-Touristik-Kooperation Protours/RCE zählte zu den ersten, die mit Promobil einen Ableger für den mobilen Vertrieb aufbaute. Hinzu kommt die TUI-Organisation TLT Urlaubsreisen, die mit rund 750 Partnern unter den Markennamen Take-Off, Holiday Profis und Feria aktiv ist. Deren Chef, André Repschinski, baut gerade ein Social-Media-Team auf, das Kunden reaktivieren soll, mit denen man wegen der Pandemie länger keinen Kontakt hatte. Außerdem gehe es darum, neue Kunden durch eine zeitgemäße und regelmäßige Ansprache zu gewinnen.

Viele offene Fragen 

Die Hoffnung von allen basiert im Grunde auf einer einzigen Story. Bis sich der Reisemarkt wieder erholt hat, werden viele Büros dichtmachen, Mitarbeiter entlassen oder ihre Inhaber befinden ihr stationäres Büro für zu kostspielig. Ähnliches geschieht in der Hotellerie aus der etwa Steinebach viele Quereinsteiger rekrutiert. Diese Menschen bilden sozusagen den Pool, aus dem die mobilen Vertriebssysteme neue Verkäufer werben und damit auch ihre Position gegenüber den Handelsherren stärken wollen. Ob am Ende das Angebot an potenziellen mobilen Verkäufern oder die Nachfrage nach ihnen größer ist, bleibt freilich abzuwarten.

Christian Schmicke

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