Tägliche News für die Travel Industry

3. Juni 2024 | 18:13 Uhr
Teilen
Mailen

Midnight Trains landet auf dem Abstellgleis

Das voller Hoffnungen gestartete Start-up für Nachtzüge gibt nach vier Jahren auf. Die französischen Gründer beklagen mangelnde Unterstützung durch Politik und die Finanzbranche. Midnight Trains wollte Paris mit Deutschland, Spanien, Italien, Portugal und Dänemark verbinden – und zwar mit komfortabel ausgestatteten Nachtzügen.

Zug Bahn Symbol Nachtzug Foto iStock Chalabaja

Die Reise für die Nachtzüge von Midnight Trains ist schon wieder vorbei

Nach vier Jahren sind die Unternehmer laut eigener Darstellung an Finanzierungsproblemen, ausbleibender Unterstützung durch die Politik und der schwierigen Beschaffung von Zügen gescheitert – bekannte Hürden im zwar europaweit liberalisierten, aber weiter hindernisreichen Bahnmarkt. Das plötzliche Aus kommt dennoch überraschend, denn die Europäische Union hatte die geplante Nachtzugverbindung zwischen Paris, Mailand und Venedig noch voriges Jahr als eine von zehn begrüßenswerten internationalen Verbindungen ausgewählt. Allerdings gibt es viele Hinweise aus der Branche, dass es an konkreten Hilfen aus Brüssel fehle.

Midnight Trains hatte die ersten internationalen Verbindungen ursprünglich für Dezember 2023 angekündigt. Noch Ende 2022 schien das Vorhaben halbwegs gesichert, als es hieß, dass das Start-up brandneue Nachtzüge über ein Leasingmodell mit einem Partner bekommen werde. Dann aber folgten weniger gute Nachrichten. Das Vorhaben, Züge zwischen Edinburgh und Paris durch den Bahntunnel unter dem Ärmelkanal fahren zu lassen, musste aufgegeben werden. Netzbetreiber und Genehmigungsbehörden sahen für den Einsatz der geplanten Züge unter anderem Risiken beim Brandschutz.

Kein Wagniskapital für rollende Hotels 

Die Gründer räumen in ihrer Stellungnahme ein, dass es von Beginn an viele Warnungen von Experten gab. Der Bahnmarkt werde noch immer von staatlichen Anbietern dominiert, unter deren Fuchtel auch die Netzbetreiber stünden. Zudem fänden Start-ups im Fernverkehr, der nicht subventioniert wird, keine Finanziers für teure neue Züge. Gebrauchtes Rollmaterial aber werde von etablierten Platzhirschen lieber verschrottet als an mögliche Konkurrenten verkauft. Und besonders in Frankreich werde der staatliche Marktführer SNCF von der Politik stark protegiert.

Dennoch habe man daran geglaubt, die Hürden überwinden zu können, so die Gründer. Ein Fundraising mit mehr als vierzig Business-Angels habe ermöglicht, das Projekt zu entwickeln, hin zu "baureifen Zügen, einem sorgfältig ausgewählten Hersteller und einem englischen Pächter an unserer Seite, der die ersten beiden Züge finanzierte". Eine zweite Runde der Geldbeschaffung sollte den Betrieb der ersten Linie Paris – Mailand – Venedig ermöglichen. Doch weder Risikokapitalgeber noch Wachstums- und Infrastrukturfonds seien bereit gewesen, das langfristige Projekt zu unterstützen.

Nachtzüge sind ein kaum rentables Geschäft

Der Betrieb von Nachtzügen gilt als besonders schwieriges und kaum rentables Geschäft, weil die Hotels auf Schienen personal- und kostenintensiv sind und die nötigen höheren Ticketpreise mit klimaschädlichen Billigflügen kaum konkurrieren können. Neben der Deutschen Bahn, die ihre Flotte komplett ausmusterte, hat auch die SNCF nach der Liberalisierung der Bahnmärkte die meisten Nachtzüge aufgegeben.

Erst mit der verschärften Klimadebatte rückten die rollenden Hotels als umweltfreundliche Alternative zu Flügen auf Kurz- und Mittelstrecken wieder in den Fokus. Die DB unterstützt nach Druck aus der Politik das Nachtzugnetz der ÖBB. Österreichs Bundesbahnen sind Marktführer im Nachtverkehr und bieten mit Hilfe zahlreicher Partnerbahnen Reisen zwischen Dutzenden europäischer Metropolen an, darunter seit Ende 2023 die neue Nightjet-Verbindung von Berlin nach Brüssel und Paris.   

Das macht es neuen Anbietern nicht einfacher, zumal der Fernverkehr anders als Regionalzüge nicht generell subventioniert, sondern allenfalls über Umwege bezuschusst wird. So fährt das Start-up European Sleeper zwischen Berlin und Brüssel nun in direkter Konkurrenz zur ÖBB. Im Verkehr nach Skandinavien wiederum muss der private Bahnbetreiber Snälltåget mit seinem Nachtzug von Berlin nach Malmö und Stockholm gegen die Konkurrenzlinie von Schweden Staatsbahn SJ bestehen.

Thomas Wüpper

Newsletter kostenlos bestellen

Ja, ich möchte den Newsletter täglich lesen. Ich erhalte ihn kostenfrei und kann der Bestellung jederzeit formlos widersprechen. Meine E-Mail-Adresse wird ausschließlich zum Versand des Newsletters und zur Erfolgsmessung genutzt und nicht an Dritte weitergegeben. Damit bin ich einverstanden und akzeptiere die Datenschutzerklärung.

Anzeige Reise vor9