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12. Juni 2023 | 13:02 Uhr
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Hotel- und Reise-Lobby laut Analyse bedingt wettbewerbsfähig

Die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) hat eine Analyse zur Struktur und Finanzausstattung der Lobbyorganisationen in den Bereichen Tourismus, Hotellerie und Gastronomie vorgenommen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Szene stark fragmentiert sei und die Finanzmittel der Verbände auf "niedrigem Niveau limitiert" seien.

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Große Vielfalt, geringe Finanzen: Die Lobby der Reise- und Hotelsparte ist im Branchenvergleich schwach

Die Ad-Hoc Analyse konzentrierte sich laut DZG zunächst darauf, eine qualitative Bestandsaufnahme aller eingetragenen Akteure – Verbände, Organisationen, NGOs, Thinktanks, Unternehmen – vorzunehmen. Um die erfassten Zahlen einzuordnen, seien in einem zweiten Schritt die wichtigsten Kennziffern dreier weiterer Referenz-Branchen ermittelt und dann der Gastwelt beispielhaft gegenübergestellt worden. Es handele sich hierbei um das Handwerk, die Versicherungswirtschaft und die Automobilindustrie, sagt Vorstandssprecher Marcel Klinge.

Die DZG-Auswertung benennt 80 verschiedene Verbände und Organisationen sowie einen Dachverband. Hinzu kommen 29 Unternehmen, die in der Bundeshauptstadt Lobbyarbeit betreiben. „In Summe sind damit 111 Akteure für die Gastwelt in Berlin unterwegs. In meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter von 2017 bis 2021 hatte ich vielleicht Kontakt mit 20 bis 25 Verbänden und zehn Unternehmen. Deswegen hat uns die hohe Zahl von über 110 eingetragenen Lobbyakteuren am Ende doch überrascht“, so Klinge.

Geringe Finanzmittel auf Verbandsebene

Die inhaltliche Bandbreite der eingetragenen Verbände und Organisationen sei hoch, die Arbeitsprofile teils sehr unterschiedlich, erklärt die DZG weiter. Mit insgesamt 82 Akteuren inklusive Dachverband und Denkfabrik stelle man einen "hohen Fragmentierungsgrad" fest. Die ausgewerteten Daten deuteten außerdem darauf hin, "dass die Finanzmittel der Verbände auf niedrigem Niveau limitiert sind". Sieben von 82 Akteuren gäben sogar null Euro pro Jahr für Interessensvertretung aus. In diesen Fällen werde wohl komplett ehrenamtlich gearbeitet. Weitere elf Akteure hätten gar keine Zahlen angegeben, sagt DZG-Co-Vorstand Alexander Aisenbrey.

Auf Unternehmensseite sei die Anzahl mit 29 verschiedenen Akteuren zwar nicht auf dem Fragmentierungs-Niveau der Verbände, aber dennoch "nicht unerheblich". Auffällig sei, dass die Gastwelt-Unternehmen mit 8,8 Millionen Euro pro Jahr "in Summe signifikant mehr Geld für Interessensvertretung" zur Verfügung hätten als die Verbände mit 5,1 Millionen Euro. Die Mitarbeiterausgaben der Verbände im Bereich Interessensvertretung seien im Schnitt bis zu vier Mal niedriger als bei den Unternehmen. Dies lasse auf eine höhere Teilzeitquote und ein geringeres Entlohnungsniveau schließen.

Schlechter finanziert als andere Branchen 

Verbandsseitig sieht die Analyse Hotellerie und Touristik bei fast allen Schlüsselkennzahlen schlechter finanziert als die drei Referenzbranchen – und das teils erheblich. Bei den Ausgaben der Top-5-Verbände, also der Organisationen mit den jeweils höchsten Lobby-Ausgaben, liege das Handwerk mit rund 10 Millionen Euro pro Jahr auf Platz 1, gefolgt von der Automobilindustrie mit vier Millionen Euro pro Jahr, der Versicherungswirtschaft mit 3,3 Millionen Euro pro Jahr und der Gastwelt mit 2,6 Millionen Euro pro Jahr. Der Anteil der Lobby-Ausgaben an den Gesamtausgaben variiert laut DZG bei den TOP-5-Verbänden der Touristik- und Hotelleriebranche zwischen rund 15,8 Prozent (BDL), 19,6 Prozent (DRV), 20,5 Prozent (Dehoga Bundesverband), 43,7 Prozent (BDB) und 49,5 Prozent (IHA).

Höhere Mittel auf Firmenseite

Bei den Unternehmensausgaben steht die Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie mit 6,8 Millionen Euro pro Jahr hingegen auf Platz zwei im Vergleich, direkt nach der Automobilindustrie, deren Konzerne 16,7 Millionen pro Jahr investieren. In der Versicherungsbranche liegen die Ausgaben für Lobbyarbeit bei 5,1 Millionen Euro pro Jahr, beim Handwerk bei 2,6 Millionen pro Jahr.

Als "besonders eklatant" beschreibt die Analyse die Finanzierungsunterschiede im Vergleich der Dachverbände. Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) gab im Corona-Spitzenjahr 2021 nach eigenen Angaben zwischen 160.001 bis 170.000 Euro für Lobbyarbeit aus. Alle drei Referenz-Dachverbände spielten hier "in einer vollkommen anderen Liga". Dem VDA (Automobil) standen demnach 4,4 Millionen Euro, dem GDV (Versicherung) 15 Millionen Euro und dem ZDH (Handwerk) 1,8 Millionen Euro zur Verfügung.

"Auf Dachverbands-Ebene ist die Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie – zumindest im vorgenommenen Vergleich – weder finanziell und personell konkurrenzfähig", meint Klinge. Hier liege "die größte strukturelle Baustelle". Daneben benötigten auch die einzelnen Fachverbände "in Summe mehr Finanzmittel, um ihre notwendigen Lobbyaktivitäten professionell umsetzen zu können". Gleichzeitig sei eine Debatte über eine intensivere Zusammenarbeit und Vernetzung aller Verbandsakteure notwendig, um zusätzliche Synergieeffekte zu erzielen.

Die vollständige Analyse mit weiteren Zahlen, Daten und Fakten kann kostenfrei über die DZG-Website abgerufen werden.

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