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25. September 2019 | 07:00 Uhr
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Die wichtigsten rechtlichen Fragen zur Cook-Pleite

Während in Großbritannien seit Montag das Insolvenzrecht greift, haben die deutschen Veranstalter und Condor bislang keinen Insolvenzantrag gestellt. Condor fliegt weiter, die Veranstalter erbringen ihre Leistungen dagegen derzeit nicht. Die wichtigsten Fakten zu Pflichten und Rechten im Überblick.

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Dass Thomas Cook in Deutschland noch nicht Insolvenz angemeldet hat, macht die Lage für Reisebüros und Reisende kompliziert

Kunden, deren Abreise ins Wasser fällt, Kunden, die vor Ort von Hoteliers ein weiteres mal zur Kasse gebeten werden, fällige oder bereits geleistete Zahlungen – die Liste der Komplikationen, die für Verunsicherung sorgen, ist nach der größten Pleite, die die Touristik je erlebt hat, lang. In Social-Media-Foren werden Fallbeispiele debattiert, Reisebüros suchen nach Lösungen, um für ihre Kunden das Beste herauszuholen. Counter vor9 beleuchtet einige Aspekte rund um juristische Fragen.

Das Wichtigste vorweg: Niemand kann Reisebüros dafür belangen, dass sie die Pleite von Thomas Cook nicht vorausgesehen haben. Das bestätigt auch Rechtsanwalt Hans-Josef Vogel von der Kanzlei Beiten Burkhardt gegenüber dem Branchenportal "Travel Talk". In diesem Fall gebe es "keine Haftung des Vermittlers", sagt er. Denn einerseits sei die Schieflage von Thomas Cook "allgemein bekannt gewesen". Zum anderen habe der Konzern selbst bis zuletzt beteuert, dass er die Wende schaffe und dass Vertriebspartner und Kunden keinen Grund zur Sorge hätten. Dass der Deal schließlich platzen würde, hätten Reisebüros nicht voraussehen können, so Vogel.

Pleite  oder nicht?

Viele weitere Aspekte werden dadurch kompliziert, dass die deutschen Thomas-Cook-Veranstalter Neckermann, Thomas Cook Signature, Öger Tours, Bucher und Air Marin zwar nach eigenem Bekunden "die gebuchten Leistungen nicht gewährleisten" können, aber noch nicht Gläubigerschutz beantragt haben. Was also ist zu tun, wenn bei Kunden in den nächsten Tagen Zahlungen fällig werden?

Rechtsanwalt Jochen Seeholzer erklärt dazu, Kunden sollten der fälligen Lastschrift widersprechen, wenn der Veranstalter zuvor nicht versichert habe, dass die gebuchten Reiseleistungen erbracht würden. Wer kürzlich gezahlt habe, solle sich sein Geld wieder gutschreiben lassen, rät er. Wenn das Geld später nachgefordert werde und die Leistungen erbracht worden seien, könne der Kunde immer noch zahlen. Kunden, die in diesen Tagen von den kompletten Absagen aller Reisen betroffen seien, könnten ihr Geld später von der Insolvenzversicherung zurückerhalten, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters nachgewiesen sei, so Seeholzer. 

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Dass die Veranstalter derzeit weder über ihre Buchungssysteme noch telefonisch erreichbar seien, ändere an der Lage für die Kunden grundsätzlich nichts, so der Jurist. Wenn ein Kunde vom Vertrag zurücktreten wolle, tue er das am besten per Fax oder Einschreiben. Eine Bestätigung sei zur Rechtfertigung seiner Ansprüche nicht erforderlich. Wenn ein Kunde allerdings sichergehen will, den rechtzeitige Zugang der Erklärung im Streitfall beweisen zu können, ist nach Auffassung von Experten die Zustellung per Gerichtsvollzieher oder Boten der sicherste Weg.

Eigenmächtige Stornos vermeiden

Zur Vorsicht rät der Kooperationsverbund QTA bei Stornierungen. "Ein Storno des Kunden führt dazu, dass dieser die Stornokosten bezahlen muss, egal ob die Reise später durchgeführt worden wäre oder nicht, oder ob ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Für diesen Fall greifen auch nicht die Rechte der Kunden aus dem Sicherungsschein, weil der Kunde selbst storniert hat. Aus diesem Grunde sollte sich der Kunde sehr gut überlegen, ob er wirklich stornieren will, was sicherlich auch auf die Höhe der Stornokosten ankommt“, warnt die QTA.

Wenn der Hotelier sein Geld vom Kunden holen will

In den zahlreichen Fällen, in denen Hoteliers von Kunden vor Ort erneut Geld für die Übernachtungen verlangen, rät Jurist Seeholzer zur "Deeskalation". Entweder könne der Kunde sofort die Rückreise antreten, nachdem er sich vom Hotel habe bestätigen lassen, dass dieses ihn nicht ohne Zahlung einchecken wolle oder er lasse sich bestätigen, dass ihm erst nach der geforderten Zahlung die "Freigabe" des Zimmers erteilt worden sei. Später bestehe die Möglichkeit, die entstandenen Kosten von der Insolvenzversicherung zurück zu erhalten. Insgesamt sei die Situation sowohl für die Hoteliers als auch für die Reisenden unerfreulich, weil vom Veranstalter voraussichtlich nichts mehr zu erwarten sei.

Nur Pauschalreisen sind abgedeckt

In der Branche herumgesprochen haben dürfte sich mittlerweile, dass im Fall der Insolvenz des Veranstalters nur Pauschalreisende von der Kundengeldabsicherung erfasst werden, die ein Reisepaket für eine Reise mit mindestens zwei verschiedenen Reiseleistungen wie Hotel, Flug, Mietwagen bei einem Reiseveranstalter in Deutschland gebucht haben. Darauf weist der Reiserechtler Ernst Führich aus aktuellem Anlass erneut hin. Thomas Cook hatte nach der Einführung des neuen Reiserechts auch Einzelleistungen mitversichert, war aber später davon abgerückt.

Was passiert, wenn der insolvenzbedingte Gesamtschaden  die gesetzlich festgelegte Deckelung von 110 Millionen Euro pro Jahr überschreitet, darüber herrscht allgemeine Unsicherheit. Führich schreibt, in diesem Fall könnten die Versicherer "den Erstattungsbetrag an den betroffenen Reisenden in dem Verhältnis kürzen, in dem der Gesamtbetrag zum Höchstbetrag von 110 Millionen Euro steht". Allerdings fordere die neue EU-Pauschalreiserichtlinie fordert die neue Richtlinie einen "wirksamen Insolvenzschutz, der einen ausreichenden hohen Prozentsatz des Veranstalterumsatzes aufweisen" müsse. Letztlich müssten Gerichte und der EuGH diese Streitfrage klären, so der Reiserechtler.

Christian Schmicke

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