Debatte um Reiserückkehrer nimmt wieder Fahrt auf
Zwölf Prozent aller gemeldeten Corona-Neuinfektionen sind derzeit laut Robert-Koch-Institut auf Ansteckungen im Ausland zurückzuführen, besonders hoch ist der Anteil von Rückkehrern aus dem Kosovo und der Türkei. Der Chef des Dortmunder Gesundheitsamtes meint, das Land sei zu spät als Hochrisikogebiet ausgewiesen worden.
Zunächst die Fakten: Bei 5.804 Menschen wurde in der Meldewoche 33 eine Coronainfektion festgestellt. deren vermuteter Ursprung im Ausland liegt. Das entspricht einem Anteil von zwölf Prozent an allen 48.700 gemeldeten Neuinfektionen. Innerhalb Deutschlands infizierten sich demnach 17.331 Menschen. Bei 25.565 Personen, rund 52 Prozent aller Infizierten, ist der Ort der Ansteckung laut RKI indes unbekannt. Nimmt man also allein den Anteil der im Ausland zustande gekommenen Infektionen an denjenigen, bei denen der Ansteckungsort als bekannt gilt, kommt man auf einen Anteil von 25 Prozent.
Ob das in oder am Ende der Ferienzeit viel oder wenig ist, darüber gehen die Einschätzungen auseinander. Klarer Spitzenreiter unter den ausländischen Infektionsgebieten ist das Kosovo mit 1.352 Fällen. Dahinter folgt in der entsprechenden Woche die Türkei mit 1.293 vor Kroatien mit 507 und Spanien mit 142 Fällen.
Neueinstufung erst kurz vor Ferienende
Der starke Anstieg der Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Wochen veranlasste laut dem Westfälischen Anzeiger jüngst den Chef des Dortmunder Gesundheitsamtes, Frank Renken, Kritik an der seiner Meinung nach zu späten Einstufung der Türkei als Corona-Hochrisikogebiet zu üben. Weil diese erst Mitte August und damit kurz vor Ende der Schulferien in NRW erfolgt sei, hätten viele ungeimpfte Reiserückkehrer nicht in Quarantäne gehen müssen. Zudem zweifelt der Gesundheitsamtsleiter die offiziellen Zahlen vieler Reiseländer an.
Das Ranking der Länder, aus denen die Infektionen stammen, deutet indes darauf hin, dass es sich bei den infizierten Reiserückkehrern mehrheitlich nicht um klassische Sommerurlauber gehandelt hat. Schließlich ist das Kosovo als Urlaubsland nicht vorne mit dabei und in die Türkei reisen jedes Jahr neben Bade- und Bildungsurlaubern viele Mitbürger mit türkischen Wurzeln, die ihre Familien besuchen. Zudem liegen dort in den meisten Ferienregionen die Infektionszahlen unter dem landesweiten Durchschnitt.
Rolle von Pauschalurlaubern eher gering?
Die Tourismusindustrie, der Reiseverband DRV und Veranstalter, haben in der Vergangenheit mehrfach betont, dass sich unter ihren Kunden kaum Infektionen abgespielt hätten. Bei den Reisemotiven nimmt das RKI freilich keine Differenzierung vor – und selbst wenn dies der Fall wäre, könnte bei den Reisebestimmungen keine Unterscheidung zwischen Pauschalurlaubern – und dabei zwischen Partyfreaks und Ruhesuchenden – oder Reisenden auf Familienbesuch vorgenommen werden. So lange die Sorge um die nächste Coronawelle und unzureichenden Impfschutz in der Bevölkerung die Debatte bestimmt, wird uns die Reiserückkehrer-Diskussion daher erhalten bleiben.
Christian Schmicke