Auto- und Bahnreisen gewinnen für Reisebüros an Bedeutung
Die Zahl derer, die an eine zunehmende Relevanz von Auto- und Bahnreisen für den Reisevetrieb glauben, wächst. Allerdings seien die Hindernisse groß, sagen viele Reiseprofis bei einer exklusiven Umfrage von Counter vor9.
Beim DRV-Reisebürotag rührte Martin Katz, bei FTI für die Reiseziele verantwortlich die ohne Flug erreichbar sind, die Werbetrommel für Auto- und Bahnreisen. Der erfahrene Touristiker, der vor seiner FTI-Zeit lange in Diensten der Bahntochter Ameropa stand, wittert angesichts der großen Beliebtheit, derer sich touristische Nahziele angesichts der Corona-Pandemie erfreuen, für seine Sparte Morgenluft.
FTI und andere Veranstalter hätten ihre Angebote für Deutschland und die umliegenden Länder deutlich ausgebaut – sowohl rein quantitativ als auch im Hinblick auf die Angebotsbreite, sagt er. Dies führe Veranstaltern und Reisebüros einerseits neue Kunden zu, die zuvor zwar auch mit dem Auto, der Bahn oder dem Camper unterwegs gewesen seien, aber nicht über sie gebucht hätten, sagt er. "Unsere Reisebüros haben auf diese Weise Menschen erreicht, die ihre Reisen vorher anders organisiert haben." Zudem buche ein Teil der vorhandenen Klientel nun statt der klassischen Pauschalreiseziele im Reisebüro Urlaub im eigenen Land oder der Nachbarschaft. "Diese Chance müssen wir nutzen", ist Katz überzeugt.
Reisebüros sehen Perspektiven
Erste Ansätze dazu sind auch bei den Reisebüros angekommen. Laut einer Online-Umfrage für Counter vor9, an der rund 200 Mitarbeiter und Chefs von Reisebüros teilnahmen, haben Auto- und Bahnreiseziele aktuell für mehr als 60 Prozent der Befragten keine oder nur geringe Bedeutung. Nur acht Prozent messen ihnen große Bedeutung bei. Das verschiebt sich aber mit Blick auf die Erwartungen an die Zukunft. So rechnet rund ein Viertel der Befragten damit, dass das Segment künftig hohe Relevanz für die Geschäfte hat. Weitere 30 Prozent rechnen immerhin mit einer gewissen Bedeutung. Der Anteil derer, die auch in Zukunft nur geringe oder gar keine Bedeutung dieses Marktsegments für den stationären Vertrieb erwarten, liegt bei 45 Prozent.
Insgesamt sehen die Reisebüros in Inlandsreisen und Trips in nahe gelegene Ausland durchaus Chancen, ihr Geschäft zu erweitern. So glauben rund zwei Drittel der Umfrageteilnehmer, dass sie dadurch neue Kunden gewinnen könnten, zu denen sie bisher keinen Kontakt hatten. 60 Prozent sehen Möglichkeiten, ihren vorhandenen Kunden neue Angebote zu machen. Und jeder zweite Befragte hält Auto- und Bahnreisen für eine Option, mit der Reisebüros an einem auch mittel- und langfristig wachsenden Marktsegment partizipieren können.
"Nur Neukundenbeschaffer"
Allerdings erkennen die Vertriebsprofis auf dem Weg zu mehr Geschäft mit Auto- und Bahnreisen auch große Hürden. So erklären zwei Drittel, die Hotellerie sei nicht an einer intensiven Zusammenarbeit mit Reisebüros interessiert. „Wir dienen als Neukundenbeschaffer; anschließend ködern die Hoteliers die Kunden mit Vergünstigungen, wenn sie direkt buchen“, fasst ein Umfrageteilnehmer das hinlänglich bekannte Problem zusammen. Drei Viertel der Befragten geben zudem an, die Urlauber hätten Reisebüros bei Reisen innerhalb Deutschlands und in die Nachbarländer gar nicht auf dem Schirm.
Christian Schmicke